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Tiere essen

Tiere essen

Titel: Tiere essen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Safran Foer
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von Hunden hat eine stolze Tradition. Grabstätten aus dem 4. Jahrhundert nach Christus enthalten Darstellungen, wo Hunde zusammen mit anderen Tieren geschlachtet werden. Es war ein derart bedeutender Brauch, dass er in die Sprache einging: Das sinokoreanische Zeichen für »gut und angemessen« (yeon) heißt wörtlich übersetzt »gekochtes Hundefleisch ist lecker«. Hippokrates pries Hundefleisch als einen Quell von Stärke. Die Römer aßen »gesäugte Welpen«, die Dakota-Indianer liebten Hundeleber, und noch vor gar nicht langer Zeit verzehrten Hawaiianer Hundehirn und – blut. Der mexikanische Nackthund war die wichtigste Fleischsorte der Azteken. Captain Cook aß Hundefleisch. Roald Amundsen verspeiste bekanntermaßen seine Schlittenhunde. (Er war aber auch wirklich hungrig.) Und auf den Philippinen isst man immer noch Hunde, um Pechsträhnen zu überwinden; in China und Korea als Medizin; in Nigeria zur Steigerung der Libido und in vielen Gegenden auf jedem Kontinent, weil sie gut schmecken. Die Chinesen haben jahrhundertelang spezielle Hunderassen wie den blauzüngigen Chow-Chow gezüchtet (»chow-chow« bedeutet auf Chinesisch »gut gebraten«), und in vielen europäischen Ländern gibt es noch immer gesetzliche Regelungen über die Fleischbeschau von Hunden zum menschlichen Verzehr.
    Nur weil etwas fast überall und fast immer so gemacht wurde, rechtfertigt dies natürlich nicht, es heute zu tun. Aber im Gegensatz zu Mastfleisch, für das Tiere gezüchtet und gehalten werden müssen, bieten Hunde sich geradewegs zum Verzehr an. Drei bis vier Millionen Hunde und Katzen werden jährlich eingeschläfert. Das sind Millionen Kilos Fleisch, die jedes Jahr weggeworfen werden. Allein die Entsorgung der eingeschläferten Hunde ist ein enormes ökologisches und wirtschaftliches Problem. Es wäre unsinnig, Haustiere aus ihren Familien zu reißen. Aber Streuner, Ausreißer, Hunde, die nicht niedlich genugsind, um von jemandem aufgenommen zu werden, Hunde, die sich nicht zähmen lassen – sie zu verzehren wäre eine ernsthaft zu bedenkende Alternative.
    In gewisser Weise tun wir das ja schon. In Tierverarbeitungsbetrieben, wo aus für den menschlichen Verzehr ungeeignetem tierischem Eiweiß Futter für Nutz-und Haustiere produziert wird, werden etwa nutzlose tote Hunde in produktive Teile der Nahrungskette verwandelt. In Amerika werden Abermillionen Hunde und Katzen, die in Tierheimen eingeschläfert werden, Futter für unsere Nahrung. (Es werden doppelt so viele Hunde und Katzen eingeschläfert wie adoptiert.) Doch vergessen wir einfach diesen uneffizienten und grotesken Zwischenschritt.
    Dadurch werden wir keine Barbaren. Wir lassen sie ja nicht länger leiden als unbedingt nötig. Trotz der weitverbreiteten Meinung, dass Adrenalin Hundefleisch geschmacklich verbessert – daher die traditionellen Schlachtmethoden: aufhängen, bei lebendigem Leib in heißem Wasser brühen, totschlagen –, sind wir uns alle einig, dass, wenn wir sie schon essen, wir sie schnell und schmerzlos töten sollten, oder? Die traditionelle hawaiianische Methode zum Beispiel – dem Hund wird die Nase zugehalten, damit er kein Blut verliert – sollte ein gesellschaftliches Tabu sein, wenn nicht gar gesetzlich verboten werden. Vielleicht könnten wir Hunde in die amerikanische Tierschutzschlachtverordnung (Humane Methods of Slaughter Act) mit aufnehmen. Dieses Gesetz sagt zwar nichts darüber aus, wie die Tiere zu Lebzeiten behandelt werden sollen, und es gibt auch keine entsprechende effektive Kontrolle, aber wir können uns ja darauf verlassen, dass die Industrie sich »selbst reguliert«, wie wir das bei anderen Tieren, die wir essen, auch tun.
    Nur die wenigsten Menschen machen sich klar, was für eine kolossale Aufgabe es ist, eine Welt von Milliarden von Fleischessern zu ernähren, die zu ihren Kartoffeln ein Stück Fleisch wollen. Der ineffiziente Umgang mit Hunden – die doch günstigerweise bereits in stark besiedelten Gebieten leben (Verfechter regional erzeugter Lebensmittel: aufgepasst) – sollte jedem Ökologen die Schamesröte ins Gesicht treiben.
    Man könnte manchen Tierschutzgruppen schlimmste Heuchelei vorwerfen, weil sie Unmengen Geld und Energie in den unnützen Versuch stecken, die Zahl ungewollter Hunde zu verringern, während sie gleichzeitig das unverantwortliche Hundefleischtabu propagieren. Ließen wir Hunde Hunde sein und ihrer Vermehrung freien Lauf, würden wir einen nachhaltigen, lokalen Fleischvorrat

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