Tiere essen
Agrargesetz. Es wirft wichtige philosophische Fragen auf und ist eine über 140 Milliarden Dollar schwere Industrie, die fast ein Drittel der Landfläche auf dem Planeten einnimmt, marine Ökosysteme formt und womöglich über die Zukunft des Weltklimas entscheidet. Und dennoch scheinen sich unsere Gedanken immer nur entlang der Randzonen der Auseinandersetzung zu bewegen – der logischen Extreme – und weniger entlang der praktischen Realitäten. Meine Großmutter wollte kein Schwein essen, um ihr Leben zu retten, und auch wenn der Kontext ihrer Geschichte radikaler nicht sein könnte, scheinen viele Menschen auf ein solches Alles-oder-nichts-Bezugssystem zurückzugreifen, wenn sie über ihre täglichen Ernährungsentscheidungen diskutieren. Diese Art zu denken würden wir nie auf andere ethische Bereiche anwenden. (Stellen Sie sich vor, immer oder nie zu lügen.) Ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich schon jemandem erzählt habe, dass ich Vegetarier bin, und der-oder diejenige dann auf eine Inkonsequenz in meiner Lebensführung hingewiesen oder versucht hat, in einem Argument, das ich nie angeführt habe, einen Fehler zu finden. (Ich hatte nicht selten den Eindruck, dass mein Vegetarismus solchen Leuten wichtiger ist als mir.)
Wir brauchen eine bessere Gesprächskultur, wenn wir über das Essen von Tieren reden. Fleisch muss genauso oft im Mittelpunkt der Diskussion stehen, wie es mitten auf unserem Teller liegt. Das heißt nicht, dass wir so tun müssen, als wären wir uns in allem einig. Auch wenn wir uns vielleicht ziemlich sicher sind, was für uns persönlich richtig ist und sogar für andere, wissen wir doch alle von vornherein, dass unsere Positionen mit denen unserer Nachbarn im Widerspruch stehen. Wie gehen wir mit dieser unumstößlichen Wahrheit um? Lassen wir die Diskussion darüber zu, oder suchen wir einen Weg, sie neu zu führen?
Krieg
AUF ZEHN THUNFISCHE , Haie und andere große Raubfische, die vor 50 bis 100 Jahren in unseren Meeren schwammen, kommt heute nur noch einer. Viele Wissenschaftler sagen die völlige Auslöschung aller gefischten Arten in weniger als 50 Jahren voraus – und trotzdem wird alles getan, um noch mehr Meerestiere zu fangen, zu töten und zu essen. Unsere Lage ist so ernst, dass Forscher vom Fisheries Centre der University of British Columbia behaupten, dass »unser Umgehen mit Fischereiressourcen [auch Fisch genannt] inzwischen einem Vernichtungskrieg gleicht«.
Mir wurde klar, dass Krieg genau das richtige Wort ist, um unsere Beziehung zu Fischen zu beschreiben – es beinhaltet die Methoden und Technologien, die wir gegen sie einsetzen, und unseren Herrschergeist. Je mehr ich über die landwirtschaftliche Nutztierhaltung wusste, umso mehr begriff ich, dass die radikalen Veränderungen im Fischfang der letzten 50 Jahre für etwas weitaus Größeres stehen. Wir führen einen Krieg gegen alle Tiere, die wir essen, oder genauer gesagt, wir lassen einen Krieg gegen sie führen. Dieser Krieg ist neu und hat einen Namen: »Massentierhaltung«.
Die Massentierhaltung ist, ähnlich wie Pornografie, schwer zu erklären, aber leicht zu erkennen. Im engeren Sinn handelt es sich dabei um ein System der intensiven und industriellen Landwirtschaft, in dem Tiere – oft zu Zehn-oder Hunderttausenden –, genetisch optimiert, in ihren Bewegungsmöglichkeiten eingeschränkt werden und unnatürliches Futter erhalten (dem fast immer verschiedene Medikamente wie zum Beispiel Antibiotika zugesetzt sind). Weltweit stammen heutzutage jährlich etwa 450 Milliarden Landtiere aus Massentierhaltung. (Für Fische gibt es keine Zahlen.) In Amerika werden 99 Prozent aller Landtiere, die gegessen werden oder Milch und Eier produzieren, in Massentierhaltung gezüchtet. Wenn wir also heute überdas Essen von Tieren sprechen, müssen wir –auch wenn es bedeutende Ausnahmen gibt – über Massentierhaltung sprechen.
Massentierhaltung ist weniger von einem Maßnahmenkatalog als von einer Geisteshaltung bestimmt: Die Produktionskosten werden auf das absolute Minimum gedrückt, und Kosten wie Umweltzerstörung, Krankheiten beim Menschen und das Leiden der Tiere werden systematisch ignoriert oder nach außen verlagert. Jahrtausendelang orientierten die Landwirte sich an den Zyklen der Natur. In der Massentierhaltung gilt die Natur als etwas zu Überwindendes.
Industrielle Fischerei ist nicht genau dasselbe wie Massentierhaltung, aber sie gehört in dieselbe Kategorie und muss Teil derselben Diskussion
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