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Tiere essen

Tiere essen

Titel: Tiere essen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Safran Foer
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hatten, um mit uns zu feiern, unbedingt tierisches Eiweiß anbieten mussten. (Finden Sie das nicht auch logisch?) Auf unserer Hochzeitsreise aßen wir Fisch, aber wir waren ja auch in Japan, und wenn man in Japan ist … In unserem neuen Zuhause aßen wir manchmal Burger und Hühner-suppe und geräucherten Lachs und Thunfischsteak. Aber nur hin und wieder. Nur wenn uns danach war.
    Das, dachte ich, reichte. Und ich dachte, das sei auch gut so. Ich stellte mir vor, wir würden nach einem bewusst inkonsequenten Speiseplan leben. Warum sollte sich Essen von anderen ethischen Bereichen unseres Lebens unterscheiden? Wir waren ehrliche Menschen, die manchmal logen, umsichtige Freunde, die manchmal ungeschickt vorgingen. Wir waren Vegetarier, die ab und zu Fleisch aßen.
    Und ich war mir nicht einmal sicher, ob meine Erkenntnisse nicht nur sentimentale Überbleibsel aus meiner Kindheit waren oder ob ich nicht, wenn ichtief in mich hinein horchte, auf Gleichgültigkeit stoßen würde. Ich wusste nicht, was Tiere wa ren, oder auch nur annähernd, wie sie gehalten oder getötet wurden. Die ganze Sache war mir unangenehm, doch das hieß nicht, dass es anderen ähnlich gehen oder dass es mir so gehen musste. Und ich sah auch keine Notwendigkeit, all diese Fragen schnell zu beantworten.
    Doch dann wünschten wir uns ein Kind, und das war eine andere Geschichte, die nach einer anderen Geschichte verlangte.
    Ungefähr eine halbe Stunde nach der Geburt meines Sohnes ging ich ins Wartezimmer, um der versammelten Familie die gute Nachricht zu überbringen.
    »Du sagst er! Dann ist es ein Junge?«
      »Wie soll er heißen?«
        »Wem sieht er ähnlich?«
          »Erzähl schon!«
     
    Ich beantwortete ihre Fragen so schnell ich konnte, dann zogich
    mich in eine Ecke zurück und schaltete mein Handy ein.
    »Oma«, sagte ich, »wir haben ein Baby.«
    Ihr einziges Telefon steht in der Küche. Sie hob gleich nach dem ersten Klingeln ab, was hieß, dass sie am Tisch gesessen und auf meinen Anruf gewartet hatte. Es war kurz nach Mitternacht. Ob sie gerade Gutscheine ausschnitt? Oder hatte sie Hühnchen mit Möhren zum Einfrieren vorbereitet, damit es jemand bei einem künftigen Besuch aß? Ich hatte sie nicht ein einziges Mal weinen sehen, doch jetzt waren die Tränen in ihrer Stimme nicht zu überhören, als sie fragte: »Wie schwer ist es?«
    Ein paar Tage später, nach unserer Rückkehr aus dem Krankenhaus, schickte ich einem Freund ein Foto von meinem Sohn und beschrieb einige erste Eindrücke als Vater. Er antwortete schlicht: »Alles ist wieder möglich.« Es war die perfekte Antwort, denn sie traf genau meine Stimmung. Wir konnten unsere Geschichten neu erzählen und sie besser, bedeutungsvoller und eindringlicher machen. Oder wir konnten andere Geschichten erzählen. Die Welt war voller Möglichkeiten.

Tiere essen
    DER ERSTE WUNSCH meines Sohnes war, ohne Worte und ohne schon darüber nachgedacht zu haben, der Wunsch zu essen. Nur Sekunden nach seiner Geburt trank er an der Brust. Ich beobachtete ihn mit einer Ehrfurcht, wie ich sie noch nie in meinem Leben empfunden hatte. Ohne Erklärung oder Erfahrung wusste er, was zu tun war. Millionen Jahre Evolution hatten dieses Wissen in ihm verankert, ebenso wie sie sein winziges Herz zum Schlagen brachten und das Ausdehnen und Zusammenziehen seiner gerade erst getrockneten Lungen bewirkten.
    Diese Ehrfurcht, die ich so noch nie empfunden hatte, verband mich über Generationen hinweg mit anderen Menschen. Ich sah die Verästelungen meines Stammbaums: meine Eltern, die mir beim Essen zusahen, meine Großmutter, die meiner Mutter beim Essen zusah, meine Urgroßeltern, die meiner Großmutter zusahen … Er aß genauso wie die Kinder der Höhlenmaler.
    Als mein Sohn sein Leben begann und ich dieses Buch, schien sich bei ihm fast alles ums Essen zu drehen. Er wurde gestillt, er schlief nach dem Stillen, er war quengelig, bevor er gestillt wurde, oder er gab die Milch von sich, die er getrunken hatte. Während ich dieses Buch zu Ende schreibe, ist er in der Lage, recht komplexe Unterhaltungen zu führen, und das Essen, das er zu sich nimmt, wird immer häufiger zusammen mit Geschichten verdaut, die wir ihm erzählen. Mein Kind zu ernähren ist anders, als mich zu ernähren: Es ist wichtiger. Es ist wichtig, weil Essen wichtig ist (seine Gesundheit ist wichtig, die Freude am Essen ist wichtig) und weil die Geschichten, die wir mit dem Essen servieren, wichtig sind. Diese Geschichten

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