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Tiere essen

Tiere essen

Titel: Tiere essen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Safran Foer
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wahnsinnig, er ist Innereienbeschauer und hört auf den Namen Doc. Seit Jahren schon begutachtet er die Därme und Organe im Schlachtraum von Paradise. Ich frage ihn, wie oft er schon etwas Verdächtiges entdeckt hat und unterbrechen musste. Er setzt die Schutzbrille ab, sagt »Niemals« und setzt sie wieder auf.

Das Schwein gibt es nicht
    WILDE SCHWEINE gibt es auf jedem Kontinent außer der Antarktis, die Taxonomie zählt insgesamt 16 Arten. Hausschweine – die Art, die wir essen – werden wiederum in eine Vielzahl von Zuchtrassen unterteilt. Zuchtrassen sind im Gegensatz zu Arten kein natürliches Phänomen. Sie werden von Farmern gehalten, die ausgewählte Tiere mit besonderen Eigenschaften miteinander kreuzen, heutzutage normalerweise durch künstliche Befruchtung (ungefähr 90 Prozent der großen Schweinefarmen nutzen künstliche Befruchtung). Würde man ein paar Hundert Hausschweine einer bestimmten Rasse ein paar Generationen lang sich selbst überlassen, würden sie allmählich ihre angezüchteten Eigenschaften verlieren.
    Wie Hunde-oder Katzenrassen werden auch jeder Schweinerasse bestimmte Merkmale zugeschrieben; manche sind für den Produzenten wichtiger, wie die unvermeidliche Futterver wertungsrate; andere interessieren eher den Verbraucher, wie mager oder marmoriert zum Beispiel das Muskelfleisch ist; und einige sind vor allem für das Schwein von Bedeutung, zum Beispiel die Anfälligkeit für Angstzustände oder schmerzhafte Beindefekte. Da für Produzent, Konsument und Schwein natürlich nicht die gleichen Eigenschaften zählen, züchten Farmer regelmäßig Tiere, die wegen bestimmter körperlicher Merkmale, nach denen Industrie und Verbraucher verlangen, noch schlimmer als nötig leiden. Wenn Sie je einem reinrassigen Deutschen Schäferhund begegnet sind, ist Ihnen vielleicht aufgefallen, dass beim stehenden Hund das Hinterteil niedriger ist als die Vorderpartie, dass der Hund also ständig zu kauern oder auf dem Sprung zu sein scheint. Diesen »Look« fanden Züchter wünschenswert und haben ihn daher über Generationen angezüchtet, indem sie Tiere mit kürzeren Hinterbeinen zur Zucht auswählten. Infolgedessen leiden Deutsche Schäferhunde aus bester Zucht weit überdurchschnittlich an Hüftdysplasie, einer schmerzhaften erblichen Erkrankung, die viele Besitzer letztlich dazu zwingt, ihre Gefährten entweder leiden zu sehen, einzuschläfern oder teuren chirurgischen Eingriffen zu unterzie hen. Fast alle landwirtschaftlichen Nutztiere in den USA , ganz egal, unter welchen Bedingungen sie gehalten werden – »frei laufend«, »Freiland« oder »artgerecht« –, sind schon von ihrer Anlage her zum Leiden verurteilt. Massentierhaltung erlaubt Viehzüchtern, mit ernsthaft kranken Tieren durch Einsatz von Antibiotika und anderen Pharmazeutika sowie streng kontrollierter Gefangenschaft hohen Profit zu machen, und hat daher ganz neue, manchmal monströse Kreaturen hervorgebracht.
    Die Nachfrage nach magerem Schweinefleisch – »the other white meat« (das andere weiße Fleisch), wie es uns verkauft wird – hat dazu geführt, dass die Schweinefleischindustrie Tiere produziert, die nicht nur mehr Herzprobleme und Schäden im Bewegungsapparat haben, sondern auch unter größerer Erregbarkeit, Angstzuständen, Nervosität und Stress leiden. (Zu diesem Schluss kommen Wissenschaftler, die für die Agrarindustrie forschen.) Diese außerordentlich gestressten Tiere machten den Fleischproduzenten Kummer, natürlich nicht ihres Wohlergehens wegen, sondern weil, wie bereits erwähnt, »Stress« den Geschmack des Fleisches anscheinend negativ beeinflusst: Der Körper der gestressten Tiere produziert mehr Säure, die das Muskelfleisch ganz ähnlich angreift wie unsere Magensäure beim Verdauen.
    Der National Pork Producers Council, der landesweite Verband und politische Arm der amerikanischen Schweinefleischindustrie, berichtete 1992, übersäuertes, blässliches, weichliches Fleisch (sogenanntes PSE – Fleisch, »pale soft exudative«, also blässlich, weichlich und wässrig) finde sich bei etwa zehn Prozent aller geschlachteten Schweine und koste die Industrie 69 Millionen Dollar jährlich. Als Professor Lauren Christian von der Iowa State University 1995 verkündete, er habe ein Stress-gen entdeckt, durch dessen Beseitigung das Auftreten von PSE – Fleisch reduziert werden könne, entfernte die Fleischindustrie das Gen aus ihrem Genpool. Doch leider nahmen die Probleme mit PSE – Fleisch weiter zu,

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