Tiere essen
wahnsinnig an ihren Gitterstäben. Eine solche Veränderung rettet oder rechtfertigt natürlich keineswegs die Massentierhaltung, aber sie verbessert das Leben der Sauen spürbar.
Aber ob sie nun ihre Schwangerschaft in Kastenständen oder kleinen Buchten verbringen, zum Abferkeln werden die Sauen nahezu ausnahmslos in einen womöglich noch engeren Käfig als den Kastenstand gesperrt: das Abferkelgitter. Ein Arbeiter erzählt, es sei nötig, den trächtigen Sauen »die Scheiße aus dem Leib zu prügeln, um sie in die Gitter zu kriegen, weil sie einfach nicht da reinwollen«. Der Mitarbeiter eines anderen Betriebes beschrieb, wie die Sauen regelmäßig mit Eisenstangen blutig geprügelt werden: »Einer hat einer Sau so den Rüssel zu Brei geschlagen, dass sie am Ende verhungert ist.«
Die Befürworter der Massenschweinehaltung argumentieren, das Abferkelgitter sei nötig, weil die Sauen manchmal versehentlich ihre Ferkel erdrückten. Das Argument entbehrt nicht einer gewissen perversen Logik: Man kann auch die Waldbrandgefahr mindern, indem man sämtliche Bäume fällt. Wie der Kastenstand schränkt auch das Abferkelgitter die Sau so ein, dass sie sich nicht umdrehen, ja kaum bewegen kann; manchmal wird sie sogar am Boden festgeschnallt. Natürlich wird es ihr so erschwert, ihre Nachkommen zu erdrücken. Doch eins verschweigen die Verteidiger solcher Methoden: Auf einer Farm wie der von Willis entsteht das Problem gar nicht erst. Es überrascht kaum, dass eine Sau, die vom Züchter wegen ihrer Muttereigenschaften ausgewählt wurde, deren Geruchssinn nicht vom Gestank ihrer eigenen Ausscheidungen beeinträchtigt ist, die sich unter ihr sammeln, deren Ohren nicht von dem ständigen Scheppern der Metallkäfige geschädigt sind, die Raum genug hat, ihre Ferkel zu beobachten und ihre Beine zu bewegen, sodass sie sich langsam hinlegen kann, keinerlei Problem hat, ihre Ferkel nicht zu erdrücken.
Und natürlich sind nicht bloß die Ferkel gefährdet. Eine Stu die des Wissenschaftlichen Ausschusses für Tiergesundheit und Tierschutz der EU aus dem Jahr 1997 belegte, dass in Käfigen gehaltene Schweine weichere Knochen aufwiesen, das Risiko von Beinverletzungen, Herz-Kreislauf-Problemen und Harn wegsentzündungen stark angestiegen und die Muskelmasse so weit geschwunden war, dass die Tiere kaum noch in der Lage waren, sich hinzulegen. Andere Studien gaben an, dass zehn bis 40 Prozent der Schweine wegen schlechter Erbmasse, mangelnder Bewegung und unzureichender Ernährung einen instabi len Körperbau aufwiesen, weil ihnen die Knie einknickten, die Beine verkrümmt, die Zehen nach innen gebogen waren. Natio nal Hog Farmer, eine Zeitschrift der amerikanischen Schweine industrie, berichtete 2001, dass sieben Prozent aller Zuchtsauen vorzeitig an Stress, ausgelöst durch die Käfighaltung und die intensive Zucht, sterben – in manchen Betrieben übersteigt die Rate 15 Prozent. Viele Schweine werden in den Käfigen wahnsinnig, nagen manisch an den Gitterstäben, drücken unablässig gegen ihre Wasserflaschen oder trinken Urin. Andere zeigen sogenanntes »Trauern«, das heißt, sie sitzen auf den Hinterläufen und lassen den Kopf hängen, was Wissenschaftler als »erlernte Hilflosigkeit« beschreiben.
Und dann kommen die Kinder – die Rechtfertigung für das Leiden der Mutter.
Viele Ferkel werden deformiert geboren. Zu den üblichen Geburtsfehlern gehören Gaumenspalten, Hermaphroditismus, Schlupfwarzen, fehlender Anus, Spreizstellung der Beine, Muskelzittern und Leistenbrüche. Letztere sind so häufig, dass sie im Verlauf der Kastration routinemäßig operativ behandelt werden. Und selbst die völlig gesunden Ferkel müssen in den ersten Lebenswochen zahlreiche körperliche Eingriffe erdulden. Innerhalb von 48 Stunden nach der Geburt werden ihnen die Schwänze kupiert und die Zähne gekürzt, natürlich ohne jede Betäubung, damit sich die Tiere so wenig wie möglich gegenseitig verletzen, wenn sie um die Zitzen der Muttersau konkurrieren. Unter den Bedingungen der Massenhaltung ist krankhaftes Schwanzbeißen die Norm, und schwächere Tiere können den stärkeren nicht ausweichen. Meist wird die Umgebung der Ferkelwarm (23 bis 28Grad Celsius) und dunkelgehalten, damit sie apathisch werden und ihr »soziales Fehlverhalten« nicht ausleben, wie frustriertes Beißen oder Saugen an Nabeln, Schwänzen oder Ohren anderer Ferkel genannt wird. In der traditionellen Tierhaltung, wie sie auf Paul Willis’ Farm praktiziert wird,
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