Timeline: Eine Reise in die Mitte der Zeit
und das funktionierte nie richtig. Insgeheim dachte Kramer, daß die Männer hinter diesem Getue nur ihre Angst versteckten, aber so etwas durfte sie natürlich nie sagen. Es war schwierig genug für diese Männer, Befehle von einer Frau wie ihr entgegenzunehmen.
Die Männer hatten auch mehr Probleme damit, ihre Arbeit geheimzuhalten. Den Frauen fiel das leichter, aber die Männer wollten mit ihren Reisen in die Vergangenheit prahlen. Natürlich war ihnen das vertraglich strengstens verboten, aber nach ein paar Drinks in einer Bar konnte man Verträge schon einmal vergessen. Das war der Grund, warum Kramer sie alle von der Existenz von gewissen, speziell gebrannten Navigationsmarkern unterrichtet hatte. Diese Marker waren in die Mythologie der Firma eingegangen, einschließlich ihrer Namen: Tunguska, Vesuv, Tokio. Der Vesuv-Marker brachte einen in die Bucht von Neapel am 35. August des Jahres 79 nach Christus um sieben Uhr morgens, kurz bevor glühende Asche alle tötete. Tunguska setzte einen in Sibirien 1908 ab, kurz bevor der riesige Meteor einschlug und eine Druckwelle auslöste, die im Umkreis von mehreren hundert Kilometern alles Leben auslöschte. Tokio brachte einen im Jahr 1923 in diese Stadt, kurz bevor das Beben sie dem Erdboden gleichmachte. Es ging das Gerücht, falls etwas über das Projekt an die Öffentlichkeit gelangte, könne es passieren, daß man für die nächste Reise einen falschen Marker ausgehändigt bekam. Aber keiner der Ex-Militärs wußte, ob etwas Wahres daran war oder ob es sich nur um eine Firmenlegende handelte.
Und genauso wollte Kramer es auch haben.
»Das ist eine neue Mission«, sagte Baretto noch einmal, als hätte sie ihn zuvor nicht gehört. »Sie verlangen von uns, daß wir die Welt betreten — hinter die feindlichen Linien gehen, sozusagen —, und zwar ohne jede Bewaffnung.«
»Aber Sie sind doch alle im Nahkampf ausgebildet. Sie, Gomez, Sie alle.«
»Ich glaube nicht, daß das reicht.«
»Victor.«
»Bei allem Respekt, Ms. Kramer, aber ich glaube nicht, daß Sie den Ernst der Lage hier begreifen«, sagte Baretto stur. »Sie haben bereits zwei Personen verloren. Drei, wenn Sie Traub mitrechnen.«
»Nein, Victor. Wir haben nie jemanden verloren.«
»Traub auf jeden Fall.«
»Wir haben Traub nicht verloren«, entgegnete sie. »Traub
reiste aus eigener Entscheidung, und Traub hatte Depressionen.«
»Sie nehmen an, daß er Depressionen hatte.«
»Wir wissen es, Victor. Nach dem Tod seiner Frau war er sehr depressiv und selbstmordgefährdet. Und obwohl er sein Reiselimit bereits überschritten hatte, wollte er noch einmal gehen, um zu sehen, ob er die Technologie noch verbessern könnte. Er hatte eine Idee, wie er die Maschine so modifizieren könnte, daß sie weniger Transkriptionsfehler produziert. Aber anscheinend war seine Idee falsch. Das war der Grund, warum er in der Wüste von Arizona endete. Ich persönlich glaube ja, daß er gar nicht wirklich die Absicht hatte zurückzukehren. Ich glaube, es war Selbstmord.«
»Und Sie haben Rob verloren«, sagte Baretto. »Das war verdammt noch mal kein Selbstmord.«
Kramer seufzte. Rob Deckard war einer der ersten Beobachter gewesen, die zurückgegangen waren, damals vor fast zwei Jahren. Und er war einer der ersten, die Transkriptionsfehler zeigten. »Das war viel früher im Projekt, Victor. Die Technologie war nicht so ausgereift. Und Sie wissen, was passiert ist. Nachdem Rob einige Reisen gemacht hatte, zeigten sich bei ihm gewisse kleinere Auswirkungen. Er bestand darauf weiterzumache n. Aber wir haben ihn nicht verloren.«
»Er ging und kam nie mehr zurück«, sagte Baretto. »Um das geht's.«
»Robert wußte genau, was er tat.«
»Und jetzt der Professor.«
»Wir haben den Professor nicht verloren«, sagte sie. »Er ist noch am Leben.«
»Das hoffen Sie. Aber Sie wissen nicht, warum er nicht mehr zurückgekommen ist.«
»Victor —«
»Ich will damit nur sagen«, warf Baretto dazwischen, »daß in diesem Fall die Logistik nicht dem Anforderungsprofil der Mission entspricht. Sie verlangen von uns, daß wir unnötige Risiken eingehen.«
»Sie müssen ja nicht gehen«, entgegnete Kramer sanft.
»Nein, verdammt. Das habe ich nie gemeint.«
»Sie müssen nicht.«
»Natürlich gehe ich.«
»Na gut, und das sind die Vorschriften. Keine moderne Technologie kommt in diese Welt. Verstanden?«
»Verstanden.«
»Und kein Wort von all dem zu den Akademikern.«
»Nein, nein. Verdammt, ich bin
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