School of Secrets. Verloren bis Mitternacht (German Edition)
KAPITEL 1
Meine beste Freundin Mona ließ das alte, in Leder gebundene Buch so heftig auf den Boden fallen, dass eine mächtige Staubwolke emporstieg. Ich hustete und drehte mich zur Seite, während sich die feinen Staubkörner im ganzen Raum verteilten.
»Hey, pass doch auf«, brummte Sean und wedelte sich mit der Hand Luft zu. Eine seiner strohblonden Locken fiel ihm in die Stirn, doch er blies sich die Strähne gleich wieder aus dem Gesicht.
Ich saß zusammen mit sechs anderen Mitschülern auf dem Dachboden unserer Woodland-Internatsschule. Alle sahen wir neugierig zu Mona, dem achten Mitglied unserer geheimen Runde, und warteten gespannt auf die von ihr angekündigten Neuigkeiten.
»Meine Güte, nun stell dich nicht so an«, sagte Mona und verdrehte die Augen. »Man könnte fast meinen, du wärst ein gewöhnlicher Mensch.«
Ich zuckte bei ihren Worten zusammen, und Sean gab ein empörtes Schnauben von sich. Mona warf mir einen beschämten Blick zu.
»Tut mir leid, Lucy. Das war nicht so gemeint«, entschuldigte sie sich. Ich schenkte ihr ein gequältes Lächeln und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie tief mich ihre Bemerkung traf.
»Hast du mich gerade als gewöhnlich bezeichnet?«, erkundigte sich Sean mit einer erhobenen Augenbraue. Mona verzog das Gesicht zu einem angriffslustigen Grinsen.
»Willst du etwa behaupten, du seist etwas Besonderes?«, fragte sie lächelnd. Diese kleinen gegenseitigen Sticheleien gefielen ihr sichtlich.
Ich war froh, dass sie ihr Augenmerk jetzt wieder auf Sean gerichtet hatte, und sah neugierig zwischen den beiden hin und her. Mein Blick blieb an Sean hängen.
Er war ein wenig größer als ich, vielleicht einen Meter siebzig, wirkte aber trotzdem schlaksig. Seine Arme waren, im Verhältnis zu den anderen Gliedmaßen, etwas zu lang und hingen seitlich herab, als gehörten sie nicht zu ihm.
Seans hellblonde Locken fielen ihm bis auf die Schultern, und seine grau-blauen Augen musterten Mona ein wenig zu interessiert.
»Wenn ich ein gewöhnlicher Mensch wäre, könnte ich dann das hier?«
Kaum hatte er die Frage ausgesprochen, flackerten unzählige Lichtblitze um ihn herum, die sich stetig vermehrten, bis von seiner eigentlichen Gestalt nichts mehr zu erkennen war.
Genauso schnell, wie die Lichtpunkte aufgetaucht waren, erloschen sie auch wieder. Sean war verschwunden. Dort, wo er eben noch gesessen hatte, lag nun eine kleine, weiße Katze und sah Mona aus ihren großen, gelben Augen treuherzig an.
»Oh, wie süß«, säuselte meine beste Freundin und hob das Tier auf. Sie drückte den Stubentiger fest an sich und streichelte sanft über den zierlichen Kopf. Das Kätzchen begann laut zu schnurren und rieb sich behaglich an ihrer Brust. Ein wenig zu intensiv, wie ich fand.
Als das Tier wohlig mit den Pfoten zu treteln begann, schien Mona sich plötzlich zu erinnern, dass es sich ja um Sean handelte, der sich da genüsslich an ihr rieb. Sie packte die Katze im Nacken, hielt sie am ausgestreckten Arm von sich und funkelte das kleine Wesen finster an.
»Du notgeiler Idiot lässt keine Gelegenheit aus, was?«, fauchte sie. Für den Bruchteil einer Sekunde war mir, als würde das Kätzchen meine beste Freundin feist angrinsen. Im nächsten Augenblick erschienen erneut die Lichtblitze und hüllten das Tier vollständig ein. Es folgte ein lautes Poltern, gefolgt von einem entsetzten Grunzen. Dann lag Sean auf Mona und grinste.
»Hallo, Schönheit«, neckte er sie und zuckte vielsagend mit den Augenbrauen.
»Runter von mir!«, zischte meine Freundin und stieß Sean von sich.
»Spaßbremse«, meinte er lächelnd, während Mona sich demonstrativ den Staub von der Kleidung klopfte.
Ich fragte mich, wann sich die beiden endlich eingestehen würden, dass sie mehr füreinander empfanden, als nur Freundschaft.
Der Dachboden der Woodland-Privatschule war irgendwann zu einer Art Abstellkammer umfunktioniert worden.
Dort lagerte alles, was nicht mehr gebraucht wurde. Unzählige Bücherkisten stapelten sich an den Wänden, und aus einer Ecke des Raums beobachtete uns ein menschliches Skelett, dem ein komplettes Bein fehlte.
Nach allem, was ich mittlerweile über unsere Internatsschule wusste, war es durchaus möglich, dass es sich bei dem anatomischen Modell um ein echtes Skelett handelte.
In diesem abgelegenen Raum, ganz oben im Dach des Westflügels, trafen wir uns immer, wenn es um etwas Geheimes oder Verbotenes ging. Dort waren wir ungestört und konnten sicher sein,
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