TimeRiders 03: Der Pandora Code
blitzschnell mit Wasser füllen und du wirst erdrückt, bevor du ertrinken kannst. Das ist der einzige Trost dabei.«
»O Gott ⦠Herr Jesus ⦠Hi-hilf uns!«
»Du wirst sterben, Liam.« Wieder lächelte der Mann. »Und das macht dich perfekt .«
»P-perfekt?«
Der Mann watete ein paar Schritte durch das hüfthohe Wasser auf Liam zu. »Sag mir: Willst du leben?«
» Was? Gibt es noch einen anderen Weg hier raus?«
Die letzten Lampen, die im Gang noch gebrannt hatten, verlöschten gleichzeitig. Sekunden später gingen sie wieder an.
»Sechzig Sekunden, bevor es sich überschlägt, Liam. Wir haben nicht mehr viel Zeit.«
»Gibt es noch einen anderen Weg nach drauÃen?«
»Wenn du mit mir kommst, Liam«, sagte der Mann und streckte Liam eine Hand entgegen, »dann gibt es noch einen Ausweg. Du wirst ein unsichtbares Leben führen. Du wirst ein Phantom sein, ohne wirklich in der realen Welt zu leben. Du wirst keine neuen Freunde finden â und keine Liebe.« Mit einem mitfühlenden Lächeln versuchte der Mann, die Härte seiner Worte abzumildern. »Du wirst Dinge kennenlernen, die ⦠na ja ⦠die dich wahnsinnig werden lassen könnten, wenn du sie allzu nahe an dich heranlässt. Manche Menschen wollen lieber sterben, als das zu erleben.«
»Ich ⦠ich will leben!«
»Ich muss dich aber warnen ⦠Ich kann dir nicht dein Leben anbieten, Liam. Ich biete dir nur einen Ausweg an, das ist alles.«
Liam zog sich an einer flackernden Wandleuchte hoch und tastete mit den Zehen, bis er wieder den steil abfallenden Boden unter den FüÃen spürte. Ein ohrenbetäubendes Knirschen zog sich durch das Schiff.
»Sie stirbt, Liam. Der Rumpf der Titanic wird in wenigen Sekunden auseinanderbrechen. Wenn du an Gott glaubst, möchtest du vielleicht zu ihm. Ich kann dir versichern, dass es sehr schnell gehen wird.«
Ertrinken. Das war seit jeher Liams schlimmster Albtraum gewesen. Er hatte nicht einmal schwimmen lernen können, weil er so groÃe Angst vor dem Wasser hatte.
Liam schaute zu dem Mann auf und sah ihm zum ersten Mal richtig ins Gesicht. Er hatte traurig wirkende Augen und die Art von Falten, die mit dem Alter kommen. Ein wahnwitziger Gedanke schoss ihm durch den Kopf. »Sind Sie ⦠ein Engel?«
Der andere lächelte. »Nein, ich bin nur ein alter Mann.« Er hielt die Hand immer noch ausgestreckt, ohne zu zittern. »Ich habe Verständnis, wenn du lieber hierbleiben und sterben willst. Nicht jeder entscheidet sich dafür mitzukommen.«
Ein Schauder überlief Liam. Der Boden unter seinen FüÃen erbebte. Um sie herum wurden das Knirschen von reiÃenden Stahlplatten und das Knallen auseinandergerissener SchweiÃnähte lauter und lauter. Ãber ihren Köpfen gab ein Deck nach dem anderen nach.
»Es ist so weit, Liam. Es wird Zeit, eine Entscheidung zu fällen.«
Liam zog sich vorwärts, aus dem Wasser heraus und der ausgestreckten Hand des alten Mannes entgegen. Wenn er Zeit gehabt hätte, darüber nachzudenken, wenn seine Gedanken nicht von Panik beherrscht gewesen wären, hätte er sich gefragt, wer dieser Mann war und wie er sie eigentlich beide aus dieser Situation retten wollte. Doch so wie die Dinge lagen, konnte er jetzt nur an eines denken:
Ich will nicht sterben. Ich will nicht sterben.
Das Licht erlosch. Um sie herum herrschte vollkommene Dunkelheit.
Suchend fuchtelte Liam mit einem Arm in der Finsternis herum. »Wo ist Ihre Hand? Bitte! Ich will nicht ertrinken!«
Seine Finger streiften die des alten Mannes. Der bekam sie zu fassen und hielt sie fest.
»Verabschiede dich von deinem Leben, Liam«, rief er über das Tosen des berstenden Schiffes hinweg.
Das Letzte, was Liam bewusst wahrnahm, war, dass der bis dahin vibrierende Boden unter seinen FüÃen plötzlich nachgab und verschwand, und dass er fiel ⦠immer tiefer in die Dunkelheit hinein.
3
2001New York
Er fiel ⦠und fiel ⦠und fiel.
Liam schreckte auf. Seine Beine traten ins Leere. Ohne die Augen zu öffnen, tastete er mit den Händen ⦠und fühlte warmen, trockenen Stoff, der ihn bedeckte. Ringsherum war es ruhig, beinahe ganz still. Er hörte nur jemanden in seiner Nähe leise atmen und ein gedämpftes Grollen irgendwo weit über sich. Er wusste, dass er auf mysteriöse Weise irgendwo anders hingekommen war. So
Weitere Kostenlose Bücher