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Titan 3

Titan 3

Titel: Titan 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl
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Decke schienen in immer größeren Abständen befestigt zu sein, und bald glaubte er, in völliger Finsternis durch warmes, klebriges Blut zu waten, das immer höher stieg und schließlich über seinem Kopf zusammenschlug.
    Harry wachte nach Luft ringend auf, wehrte sich gegen etwas, das ihn vollkommen und unnachgiebig einhüllte. Er hörte eine Art Rascheln in der Nähe. Etwas zischte und knisterte. Dann fluchte jemand.
    Harry kämpfte vergeblich gegen die erstickende Hülle. Plötzlich gab es ein reißendes Geräusch. Noch einmal. Harry erspähte einen Schimmer von Dämmerlicht und quälte sich durch den langen Schlitz in der straffgespannten Plane, die auf allen vier Seiten bis unter das Bett gezogen worden war.
    »Schnell!« sagte Christopher und klappte sein Taschenmesser zusammen. Er eilte zur Tür, wo Pearce bereits geduldig wartete.
    Marna hob ein metallenes Tischbein auf, das sie abgeschraubt hatten. Christopher zog den Stuhl unter der Türklinke weg und öffnete lautlos die Tür. Er führte Pearce hinaus. Marna folgte. Harry stolperte ihr noch benommen nach.
    Im Apartment vierzehn schrie jemand auf. Ein bläuliches Licht blitzte knatternd und knisternd auf. Ein Körper fiel zu Boden. Harry roch versengtes Fleisch.
    Marna lief zum Tor voraus. Sie setzte das Tischbein mit einem Ende auf die Erde und ließ das andere gegen den Zaun fallen. Der Zaun spuckte blaue Flammen, die über das Metallrohr zischend in den Boden fuhren. Das Bein wurde rotglühend und bog sich durch. Dann erloschen alle Lichter, auch das Neonzeichen über ihnen und die Lampe am Tor.
    »Helft mir!« keuchte Marna. Sie versuchte, das Tor hochzustemmen. Harry packte die Unterkante an und zog. Das Tor schob sich kaum einen halben Meter hoch, dann klemmte es.
    Oben an der Auffahrt schrie jemand heiser, unartikuliert. Harry nahm seine ganze Kraft zusammen. Endlich gab das Tor nach und rollte lautlos hoch. Er hielt es fest, während Marna hinausschlüpfte, dann Pearce und der Junge. Schließlich zwängte er sich selbst durch und ließ es los.
    Einen Augenblick später war der Strom wieder da. Das Tischbein schmolz durch und fiel durch den Zaun.
    Harry blickte zurück. Ein motorisierter Rollstuhl kam auf sie zu. Etwas Buckliges, Monströses saß darin, ein alptraumhaftes Scheusal – und erst nach einigen Sekunden erkannte Harry, was es war: ein vierfach Amputierter, der zudem noch einen schweren Herzfehler haben mußte. Eine Herz-Lungen-Maschine ragte über die Lehne des Rollstuhls wie ein zweiter Kopf. Hinterher rannte ein vogelscheuchenhaftes, knochiges Wesen mit flatternden Haarzotteln. Es trug ein Kleid, als sei es eine Frau…
    Harry sah gebannt zu, wie der Rollstuhl neben einem der Maschinengewehre hielt. Drähte glitten aus den Armstützen des Stuhls gleich Schlangen und verbissen sich in den Bedienungsmechanismus. Das Maschinengewehr begann zu schnattern. Etwas zupfte an Harrys Ärmel.
    Der Bann war gebrochen. Er drehte sich um und rannte in die Dunkelheit hinein.
     
    Eine halbe Stunde später hatte er sich verirrt. Marna, Pearce und der Junge waren verschwunden. Alles, was ihm blieb, war ein erschöpfter Körper, ein Brennen an einem Arm, und ein Handgelenk, das ihm die scheußlichsten Schmerzen seines Lebens bereitete.
    Er betastete den Oberarm. Der Ärmel war feucht. Er hielt den Finger an die Nase. Blut – die Kugel hatte ihn gestreift.
    Müde und hoffnungslos setzte er sich an den Straßenrand. Die Dunkelheit ringsum war undurchdringlich. Er schaute auf das Leuchtzifferblatt seiner Uhr. Drei Uhr zwanzig. Noch ein paar Stunden bis Sonnenaufgang. Er seufzte und versuchte, den Schmerz in seinem Handgelenk zu lindern, indem er es neben dem Reif massierte. Es schien zu helfen. Nach wenigen Minuten spürte er nur mehr ein Prickeln.
    »Dr. Elliott«, sagte jemand leise.
    Er drehte sich um. Erleichterung und fast so etwas wie Freude fegten seine Lethargie weg. Christopher, Marna und Pearce standen vor ihm, dunkle Umrisse im schwachen Sternenlicht.
    »Na«, knurrte Harry, »da bin ich aber froh, daß ihr nicht versucht habt zu fliehen.«
    »Das würden wir nicht tun, Dr. Elliott«, sagte Christopher.
    »Wie habt ihr mich gefunden?« fragte Harry.
    Marna hob nur stumm ihren Arm.
    Der Reif. Natürlich. Mürrisch dachte Harry, daß es mit seiner Menschenkenntnis wirklich nicht zum besten stand. Marna war nur zurückgekommen, weil ihr nichts anderes übrigblieb, und Christopher, weil er hier draußen allein mit einem Greis war, um den er sich

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