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Titan-4

Titan-4

Titel: Titan-4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl
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anderen abgefertigt waren und man die Sache durch einen Anruf bei den vergeßlichen Eltern in Ordnung brachte. Für die betroffenen Schüler war so etwas stets ein trauriger Zwischenfall, besonders für die empfindsameren unter ihnen, welche die Implikation sehr ernst nahmen, daß man zu Hause so wenig an sie dachte. Miß Robbins versuchte jene Eltern, welche zu Besuch in die Schule kamen, mit Nachdruck darauf hinzuweisen, damit sie dergleichen vermieden, aber trotzdem ereignete es sich in jedem Semester mindestens einmal.
    Die Mädchen waren nun alle durch. John Abramowitz trat hinein, dann Edwin Byrne…
    Manchmal ergab sich, und zwar häufiger, eine andere Unannehmlichkeit – wenn ein Junge oder ein Mädchen in der Schlange den falschen Platz einnahm. Und sie schafften es immer wieder, trotz der schärfsten Wachsamkeit des Lehrers, vor allem zum Beginn des Semesters, weil sie sich in der ersten Zeit die richtige Reihenfolge noch nicht fest eingeprägt hatten. Dann geschah es, daß ein halbes Dutzend oder mehr Kinder in den falschen Häusern landeten und zurückgeschickt werden mußten. Jedesmal kam es zu einem Durcheinander, dessen Beilegung Minuten beanspruchte, und die Eltern waren unweigerlich wütend.
    Plötzlich bemerkte Miß Robbins, daß die Abfertigung nicht länger Fortschritte machte.
    Sie wandte sich mit scharfer Stimme an den Buben, der vorn an der Schlange stand. »Hinein mit dir, Samuel. Worauf wartest du?«
    Samuel Jones zog eine selbstzufriedene Miene. »Das ist nicht meine Koordinatenkombination, Miß Robbins«, erwiderte er.
    »Nun, wessen dann?« Ungeduldig musterte sie die Reihe der fünf übrigen Knaben. »Wer hat sich nicht richtig angestellt?«
    »Dick Hanshaw, Miß Robbins.«
    »Wo ist er?«
    Diesmal antwortete ein anderer Junge, und er sprach im verächtlichen Tonfall der Selbstgerechtigkeit, deren Kinder sich unwillkürlich befleißigen, sobald sie maßgeblichen Erwachsenen die Verfehlungen ihrer Freunde verpetzen können. »Er ist durch den Notausgang abgehauen, Miß Robbins.«
    »Was?«
    Die T-Tür des Klassenzimmers hatte nun umgeschaltet, und Samuel ging hindurch. Der Rest folgte, einer nach dem anderen.
    Miß Robbins war allein im Klassenzimmer. Sie schritt hinüber zum Notausgang. Er war klein und besaß eine Handbedienung, war verborgen hinter einem Winkel, damit er die gleichmäßige Beschaffenheit des Raums nicht störe. Sie öffnete ihn einen Spalt weit. Er war zu dem Zweck angelegt worden, um im Falle eines Feuers aus dem Gebäude entfliehen zu können, aufgezwungen von einem anachronistischen Gesetz, das die modernen Mittel der Brandbekämpfung, über die jedes öffentliche Bauwerk verfügte, nicht berücksichtigte. Draußen war nichts außer – dem Draußen. Der Sonnenschein war grell, und es wehte ein staubhaltiger Wind.
    Miß Robbins schloß die Handbedienungstür. Sie war froh darüber, Mrs. Hanshaw angerufen zu haben. Sie hatte ihre Pflicht getan. Mehr denn je war ihr nun klar, daß mit Richard etwas nicht stimmte. Sie unterdrückte die Anwandlung, nochmals anzurufen.
     
    Mrs. Hanshaw begab sich an jenem Tag nicht nach New York. In einer Gemütsverfassung, worin sich Sorge und irrationaler Zorn mischten, letzterer gegen die freche Miß Robbins gerichtet, blieb sie daheim.
    Ungefähr eine Viertelstunde vor Schulschluß trieb ihre Besorgnis sie zur T-Tür. Im vergangenen Jahr hatte sie eine Automatik einbauen lassen, die sie um 14 Uhr 55 auf die Koordinaten der Schule einstellte und sie, indem sie jede manuelle Bedienung blockierte, in dieser Schaltung beließ, bis Richard eintraf. Ihre Augen starrten das scheußliche Grau der T-Tür an; (Warum konnte ein inaktives Kraftfeld nicht eine andere Farbe besitzen, eine lebhaftere und freundlichere?) sie wartete. Sie rang ihre kalten Hände.
    Auf die Sekunde genau verfärbte die Tür sich schwarz, aber sonst geschah nichts. Die Minuten verstrichen, und Richard, so schien es, verspätete sich. Dann hatte er sich ziemlich verspätet. Und dann sehr.
    Um 15 Uhr 45 war Mrs. Hanshaw außer sich vor Beunruhigung. Normalerweise hätte sie nun die Schule angerufen, aber diesmal konnte sie es nicht, sie konnte es einfach nicht. Auf keinen Fall, nachdem diese Lehrerin vorsätzlich Zweifel an Richards geistiger Gesundheit geäußert hatte. Wie hätte sie unter solchen Umständen anrufen können?
    Mrs. Hanshaw wanderte ruhelos auf und nieder, entzündete mit zittrigen Fingern eine Zigarette, dann drückte sie sie aus. Konnte es sich nicht

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