Titanen-Trilogie 01 - Das Erbe der Titanen
I
Die beiden auf der Wanderschaft befindlichen Krieger näherten sich der Herberge aus entgegengesetzten Richtungen. Beide waren nach herkömmlicher Art gekleidet: Dunkle Beinkleider, um die Taille und die Knie zusammengebunden; eine lose, weiße, hüftlange Jacke, die bis zu den Ellbogen reichte und vorn offenstand. Dazu elastische, leichte Schuhe. Beide trugen das Haar mittellang - vorn über den Brauen gekürzt, über Ohren und Hals ungekämmt. Die Bärte waren kurz und knapp gehalten.
Der Mann aus dem Osten trug das übliche gerade Schwert. Die Plastikscheide hatte er auf den breiten Rücken geschnallt. Er war jung und groß, nicht eben hübsch. Die schwarzen Brauen und Haare verliehen ihm ein abweisendes Aussehen, das seiner Natur nicht entsprach. Er war muskulös und trug sein Gewicht mit dem Selbstbewusstsein eines aktiven Kämpfers.
Der Krieger aus dem Westen war kleiner und schlanker, doch ebenfalls von kräftigem Körperbau. Blaue Augen und helles Haar umrahmten ein feingezeichnetes Gesicht, das ohne Bart fast weiblich gewirkt hätte, obwohl in seiner Haltung sonst nichts Weibisches war. Er schob eine einrädrige Karre vor sich her, aus dem glänzende Metallstangen ragten.
Der Dunkelhaarige traf als erster vor dem runden Bau ein und wartete höflich, bis der andere angekommen war. Sie musterten einander flüchtig, bevor sie zum Sprechen ansetzten. Eine junge Frau kam jetzt heraus, bekleidet mit einem attraktiven Wickelgewand aus einem Stück. Sie sah von einem Besucher zum anderen. Ihr Blick blieb kurz an den schönen Goldreifen hängen, welche beide um das linke Handgelenk trugen. Sie verharrte in Schweigen.
Der Schwertkämpfer warf ihr einen Blick zu. Er bewunderte ihre für die Nacht offenen Flechten und die bewusst zur Schau getragene Üppigkeit ihrer Figur. Dann sprach er den Mann mit dem Karren an: »Wollt Ihr heute mit mir die Unterkunft teilen, Freund? Mein Sinn steht jetzt nicht danach, Männer im Zweikampf zu besiegen.«
»Mein Sinn steht nach dem Sieg im Ring«, gab der andere zurück, »doch ich teile gerne mit Euch die Herberge.«
Sie lächelten und tauschten einen Händedruck.
Der Blonde sah das Mädchen an. »Ich brauche keine Frau.«
Sie senkte enttäuscht den Blick, wandte sich aber sofort dem Schwertkämpfer zu. Nach schicklicher Pause sagte dieser:
»Willst du es heute Nacht mit mir versuchen, Mädchen?«
Das Mädchen errötete vor Freude. »Ich werde heute Nacht zu dir kommen, Schwertkämpfer.«
Der Krieger lächelte und zog mit der Rechten den Armreif herunter. »Ich bin Sol, der Schwertkämpfer mit dem Hang zur Philosophie. Kannst du kochen?« Sie nickte. Er reichte ihr den Armreif. »Du wirst also auch für meinen Freund das Abendbrot bereiten und seine Uniform reinigen.«
Das Lächeln des anderen erstarb. »Habe ich Euren Namen etwa falsch verstanden, Herr? Sol - so heiße ich!«
Der Größere drehte sich stirnrunzelnd um. »Ich fürchte, Ihr habt Euch nicht verhört! Ich trage diesen Namen, seit ich im Frühjahr mit dem Schwert geübt und gekämpft habe! Vielleicht führt Ihr noch eine andere Waffe? Deswegen müssen wir uns doch nicht streiten.«
Das Mädchen ließ den Blick zwischen den beiden hin- und herwandern. »Eure Waffe ist sicher der Stab, Krieger«, sagte sie rasch und wies auf den Karren.
»Ich bin Sol«, sagte der Mann bestimmt. »Mit dem Stab und mit dem Schwert! Kein anderer darf meinen Namen tragen!«
Der Schwertkämpfer machte ein verdrossenes Gesicht. »Wollt Ihr wirklich mit mir streiten? Mir wäre eine Verständigung lieber.«
»Ich streite nur um Euren Namen. Wählt einen anderen - und es soll zwischen uns keine Fehde geben.«
»Den Namen habe ich mit meiner Klinge verdient. Ich kann ihn nicht aufgeben.«
»Dann muß ich ihn Euch im Ring rauben.«
»Ach, bitte«, bettelte das Mädchen, »wartet bis morgen! Drinnen gibt es Fernsehen und ein warmes Bad. Ich werde Euch ein köstliches Mahl zubereiten.«
»Willst du den Armreif eines Mannes haben, dessen Name in Frage gestellt wird?« fragte der Schwertträger leise. »Es muß jetzt sein, hübsches Kind. Du sollst dem Sieger dienen!«
Das Mädchen biß sich verlegen auf die roten Lippen und gab den Armreif zurück. »Gestattet ihr, daß ich zusehe?«
Achselzuckend wechselten die Männer einen Blick. »Schau nur zu, wenn du den Anblick ertragen kannst«, sagte der Blonde. Er ging auf einem ausgetretenen, rot markierten Seitenpfad voraus.
Hundert Meter unterhalb des Rundbaus war ein Ring von
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