Tochter des Glücks - Roman
gegenseitig auf?
»Und was ist mit dieser Konkubine aus Hangchow?«, wirft Yong lachend ein. Trotz ihrer Schmerzen und ihrer Erniedrigung schafft es Yong, einer, wie ich finde, grausigen Geschichte noch Spaß abzugewinnen. »Sie hielt sich für etwas ganz Besonderes – eine große Schönheit! Wenn ihr Tee zu kalt war, hat sie ihn auf den Boden gegossen, und du musstest ihn mit deiner Kleidung aufwischen.«
»Wenn er zu heiß war, hat sie ihn mir ins Gesicht geschüttet!« Kumei kichert bei dieser Erinnerung. So muss sie sich ihre Narben zugezogen haben, aber bevor ich danach fragen kann, ruft sie: »Ach, ich hätte gerne mit jeder von euch getauscht! Was er alles getan hat! Was er alles von mir verlangt hat! Ich weiß nicht, wie richtige Eheleute es tun, und ich werde es auch nie herausfinden.«
Nun werfen Yong und ich uns verstohlene Blicke zu. War das, was Kumei damals getan hat, denn anders als das, was sie jetzt mit dem Brigadeführer machte? Soweit ich das beurteilen kann, hatte Sex für Kumei bisher nur aus Pflicht oder Notwendigkeit bestanden. Prägte das nicht die Erfahrung, besonders wenn sie nicht verliebt war, so wie ich einmal in Tao?
»Ich habe viele Arbeiten verrichtet«, fährt sie fort. »Ich habe den Ehefrauen und Konkubinen die Füße gewaschen, ihrem Gezänk zugehört, habe zugesehen, wie sie Puder auflegten, Seide und Jadeschmuck anzogen. Je mehr ich erduldete, desto schöner fand mich der Gebieter. Als ich dreizehn war, wurde ich schwanger. Ich begriff nicht, was passiert war. Ich war dauernd müde, und mir war schlecht.«
»Wir hielten dich für faul«, sagt Yong. »Aber aus heutiger Sicht kann ich sagen, dass du damals gelebt hast wie ein Tier.«
»Schließlich klärte mich eine Küchensklavin darüber auf, was los war.« Kumei wird blass bei der Erinnerung daran. »Schon bald spürte ich, wie dieses Ding da in mir heranwuchs, sich bewegte, als wäre ich von einem Dämon besessen. Ich wollte in den schwarzen Abgründen des Todes verschwinden. Ich wollte mich umbringen, wollte den Goldring verschlucken, den mein Gebieter mir geschenkt hatte, oder verdorbene Sachen essen, aber das versprach alles kein sicheres Ergebnis. Dann fiel mir die beste Methode dafür ein. Ich wollte Lauge trinken. Aber mein Gebieter hat mir den Becher aus der Hand geschlagen, als ich ihn an die Lippen setzte, und deshalb sehe ich jetzt so aus.« Sie fährt mit den Fingern über die Narben, die ihr am Hals entlanglaufen und unter den Kleidern verschwinden.
»Im Herzen hat sie genauso viele Narben wie am Körper«, sagt Yong. »Ihr Leben war dunkel, ohne einen einzigen Lichtstrahl.«
»Aber dein Leben kann auch nicht einfach gewesen sein«, sage ich zu Yong.
»Ich sollte ein glückliches Leben führen«, gibt sie zu. »Meine Mutter sagte, wenn ich mir die Füße binden ließe, würde mein schwankender Gang an Nebelschwaden erinnern, und ich würde in eine gute Familie mit mindestens fünf weiteren Frauen mit gebundenen Füßen einheiraten. Sie versprach mir, bei meiner Heirat würde ich einen Kopfputz tragen, der mehr als ein Dutzend Pfund wiegt. Ich würde nie mein Zuhause verlassen müssen, aber wenn ich das aus irgendeinem Grund wollte, würde man mich in einer Sänfte tragen, damit mich niemand sehen würde. Sie sagte, ich würde immer vier Dienstmädchen haben, um mir zu helfen, und eine Weile hatte ich sogar mehr. Sie sagte, ich würde nie Feldarbeit verrichten müssen …«
»Das wirst du auch nicht«, verspricht Kumei. »Ich sorge dafür, dass es nicht dazu kommt.«
Wir kennen den Preis, den Kumei dafür zu zahlen bereit ist. Dankbar ergreift Yong Kumeis Hand. Wir warten darauf, dass Yong weitererzählt. Doch sie schweigt, deshalb nimmt Kumei ihre Geschichte wieder auf.
»Der Gebieter wollte nicht, dass ich sterbe, aber mittlerweile war es bedeutungslos, was mit mir passiert war. Der Befreiungskrieg war gewonnen worden, und alles änderte sich.«
»Zwei Konkubinen sind mit Soldaten davongelaufen«, sagt Yong. »Ehefrau Nummer eins starb an einer Infektion. Zweite Ehefrau, die durch die Geburt von drei Töchtern in Ungnade gefallen war, fuhr mit ihnen nach Macao, um Verwandte zu besuchen, und kehrte nie zurück. Dritte Ehefrau schlich sich mitten in der Nacht davon. Diese letzten Tage waren sehr schwer, sehr traurig …«
»Nachdem die Soldaten abgezogen waren, plünderten die Dorfbewohner das Hofhaus. Sie suchten nach Gold, Jade und Geld«, erzählt Kumei weiter. »Sie trugen die Möbel weg und
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