Tod auf dem Drahtseil (Roman) (German Edition)
von Lamonts Lippen, während Pat einfach nur entsetzt feststellte: „Wir kommen zu spät!“
*
Es herrschte ein heilloses Chaos auf dem Zirkusgelände. Die Leute, die den Nachmittag genutzt hatten, um die erste Vorstellung zu sehen oder die Tierschau zu besuchen, rannten kopflos und wild, voller Panik durch die Gegend.
Cedric hatte an drei Stellen gleichzeitig Feuer gelegt, das Küchenzelt war davon betroffen, der Pferdestall, denn man immer provisorisch aus einem Transporter mit einem vorgebauten Zelt errichtete, sowie ein Wohnwagen. Dicker Rauch behinderte die Sicht, und die herumlaufenden Menschen behinderten die Feuerwehr, die sich alle Mühe gab, die Leute aus dem gefährdeten Bereich zu lotsen und Ordnung in das Menschengewimmel zu bekommen, damit sie mit den Löscharbeiten beginnen konnten.
Aber die aufgescheuchten Pferde liefen herum, wieherten und keilten aus, die Raubtiere in ihren Käfigen waren wild, und die Elefanten, eigentlich recht gutmütige Tiere, wurden nur durch den äußersten Einsatz ihrer Betreuer von einem Amoklauf abgehalten. Natürlich konnte niemand einen Elefanten aufhalten, wenn es ihm einfallen sollte, einfach drauflos zu marschieren. Aber noch hörten die Tiere auf die Worte, die ihre Pflegerinnen zuriefen. Sonst wäre es ein verheerendes Desaster geworden.
Trotzdem war es ein heilloses Durcheinander, und eigentlich grenzte es an ein Wunder, dass bisher noch niemand ernsthaft verletzt worden war.
In all dem Gewimmel war es natürlich vollkommen unmöglich, jemanden Bestimmtes zu finden.
Und doch sah Pat plötzlich aus dem Augenwinkel heraus eine vertraute Gestalt. Ihr Kopf ruckte herum, und unwillkürlich entrang sich ihr ein lauter Ausruf: „Cedric!“
Der hörte seinen Namen und hielt für einen Augenblick in schnellem Lauf inne, wurde dann aber totenblass, als er Pat erblickte, warf sich herum und suchte sein Heil in der Flucht.
Aber Pat hatte nicht vor, ihn einfach laufen zu lassen.
Beharrlich gefolgt von Keith, der sie ständig rief und sie bat, diese Sache ihm und seinen Kollegen zu überlassen, hetzte sie hinter dem Mann her, der unwillkürlich den Weg zu dem Ort einschlug, an dem er eigentlich zuhause war: Zum großen Zirkuszelt, das die Flammen noch nicht erfasst hatten.
Hier war im Augenblick fast niemand mehr, weil das Publikum in Panik davongelaufen war und die Artisten und Helfer draußen, versuchten das Feuer zu löschen und sich um die Tiere zu kümmern.
Als Pat hinter Cedric hineinlief, spürte sie wieder den vertrauten Geruch der Manege und die bekannte Atmosphäre, die sie doch mehrere Jahre umgeben hatte, fühlte die erregende prickelnde Anspannung, die jeden Artisten ergreift, und rief sich dann zur Ordnung. Dies hier war keine Vorstellung vor Publikum, um verdienten Applaus zu empfangen. Nein, hier ging es um mehr. Das dort war der Man, der sie hatte töten wollen, der rücksichtslos bereit war, Menschen und Tiere zu vernichten um des schnöden Geldes willen.
Pat straffte die Schultern. Sie würde Cedric nicht entkommen lassen.
*
Schon seit frühester Jugend hatte Cedric als Artist gearbeitet, und auch er war eine Zeitlang als Fänger auf dem Trapez gewesen, eine Zeit, an die er sich nicht gerne erinnerte, denn er hatte nicht zur Spitzenklasse gehört. Doch noch immer war er in der Lage ein Trapez zu erklimmen, was er genau jetzt tat. Warum, wusste er selbst nicht so recht. Seit er Pat gesehen hatte, war ihm klar, dass sein so eifrig ausgetüftelter Plan nicht durchführbar war.
Aber er hatte noch draußen auf dem Platz gesehen, dass das ganze Gelände von Feuerwehr und Polizei regelrecht eingekesselt war, ein Entkommen wäre ohnehin vollkommen unmöglich.
Er achtete nicht auf die Rufe, die Pat und der Inspector ihm zuschickten. Seine Gedanken waren wie von Scheuklappen umgeben und hatten nur noch eine Richtung, ein Ziel: Sich selbst möglichst teuer zu verkaufen, wenn er schon nichts anderes erreichen konnte.
Das Sicherheitsnetz unterhalb des Trapezes war schon abgebaut, es wurde nur zum Training und zu den Vorstellungen gespannt.
„Cedric, was soll das? Was willst du da oben?“, rief Pat. „Komm herunter, lass uns über alles reden. Mach doch keinen Unsinn.“
Er antwortete nicht, während er behände die Strickleiter erklomm.
„Was will er da oben?“, fragte auch Keith. Lord Ashbury, der jetzt neben ihm stand und schaudernd hochblickte, weil er wusste, dass das der Arbeitsplatz seiner Tochter war, schüttelte den
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