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Das Hundehotel

Das Hundehotel

Titel: Das Hundehotel
Autoren: Diane Cooper
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«Bitte hier entlang», schlug ich vor, «ich zeige Ihnen die... äh... Räumlichkeiten. »
    Mir war bewußt, daß es ein bißchen geschraubt klang, als führte ich einen piekfeinen Besucher zu dem Örtchen, das selbst Könige zu Fuß aufsuchen müssen, aber «Ich zeige Ihnen die Zwinger» hatte einen grausamen Unterton, so ungefähr wie Kerker. Der Sealyham-Terrier sah schon verängstigt genug aus.
    Es war ein herrlicher Nachmittag im Frühsommer. Im Westen fielen die Felder sanft zu einem Stausee ab, der sich in der milden Brise wie knitternde Alufolie kräuselte. Rosarote Rosen rankten an dem alten Haus hoch, und die Gänseblümchen dahinter wirkten wie Milchtropfen auf einem grünen Tuch. Weiter unten glitt der Verkehr der Schnellstraße dahin, eine Hymne an die ewige Bewegung aller Dinge.
    Mein erster Gast sah aus wie einem Roman der Jahrhundertwende entsprungen und seine Herrin gleichfalls. Es war einen Tag, nachdem meine kleine Anzeige in der Ortszeitung erschienen war - viel zu früh, denn ich war gerade eingezogen und fragte mich immer noch, in welcher Kiste die Teekanne sein mochte.
    «Mein Name ist Farringdon, Bella Farringdon», sagte meine erste Kundin. Sie hielt inne. Ich hatte das unangenehme Gefühl, sie rechne damit, daß ich den Namen
    kenne, und sagte deshalb geistesgegenwärtig: «Natürlich.»
    «Ich habe Ihre Anzeige gelesen und dachte», fuhr sie fort, «ich komme mal vorbei und schaue mir an, was Sie hier zu bieten haben. » Nun ja — wir wissen alle, wodurch sich ein guter Milchmann empfiehlt, aber was hatte ich denn schon zu bieten? Bis jetzt nur drei Näpfe mit der Aufschrift Hund und eine Kiste «Beilfroh - für Ihren besten Freund», mehr nicht. Abgesehen von den trostlosen Holzzwingern, bei denen jeder sofort an ein Straflager für Hunde denkt.
    Ich hatte eigentlich erwartet, daß die Leute anrufen und ihren Liebling für einen späteren Zeitpunkt anmelden würden, so wie man schon im Januar Kataloge wälzt, um eine Pauschalreise für die zweite Septemberhälfte zu buchen. Dann hätte ich den Rosen gut Zureden können, damit sie vielleicht die Türen der Hundehütten umrankten, oder ich hätte Häkelgardinen anbringen können und die Türen mit einem tröstlichen Motto versehen: «Auf Wiedersehen!» Aber jetzt stand eine Dame vor mir, die nicht so aussah, als ob sie sich abwimmeln ließe.
    Ich sagte, aber gern, sie könne sich selbstverständlich alles ansehen, machte die Haustür weit auf, trat zurück und gab den Blick auf eindrucksvolle Stapel unausgepackter Teekisten frei, die in der weiten Diele herumstanden. Das Licht, das durch die farbigen Butzenscheiben der Flügeltür fiel, warf rote und goldene Schatten auf die ausgebleichten Dielenbretter.
    Bellas sind gewöhnlich drall, und diese war keine Ausnahme. Der Hund ähnelte ihr verblüffend. Sie erklärte, er sei ein Zwerg-Sealyham, was durch die zierlichen Pfoten und Ohren bestätigt wurde, doch ansonsten war er eindeutig übergewichtig. Beide waren makellos sauber und gepflegt. Beide hatten leuchtende Augen und eine helle, klare Stimme. Beide rochen nach Chanel Nr. 5. Der Hund trug ein blaues Halsband mit Glasperlen und sein Frauchen einen weißen Kragen mit Zuchtperlen. Man hätte sie beide als plusterig bezeichnen können. Mollige, kuschelige Hündinnen haben einen Reiz, der auf die meisten Leute unwiderstehlich wirkt, auf mich auch. Aber ich sah voraus, daß das ganze Projekt scheitern würde, wenn ich erst anfinge, die Kunden zu kuscheln.
    Ich wählte ein herzliches, wohlwollendes Lächeln aus meiner Sammlung, die ich immer parat habe, und versuchte, nicht wie eine infantile Närrin mit Liebesbekundungen über Bustle herzufallen. Sie hing unter Bellas Arm und sah halb ängstlich, halb ungeduldig von ihr zu mir. Ich raffte mich auf und führte die beiden am Stall vorbei, um ziemlich abrupt vor den Zwingern mit ihrer deprimierenden desinfizierten Leere stehenzubleiben. Die Riegel und Vorhängeschlösser waren ein echter Schock nach dem geißblattumrankten Laubentor und dem anheimelnden Ziegelwerk hinter uns. Sie beschworen ein sibirisches Salzbergwerk herauf, das Zuchthaus von Dartmoor an einem regnerischen Abend im Februar oder ein Ferienlager, das ich einmal in einer Wirtschaftskrise an der Ostküste gesehen hatte. Mit schnellen, entschlossenen Schritten führte ich sie weiter.
    «Da», verkündete ich, als die Zwinger außer Sicht waren, und machte eine schwungvolle Handbewegung, um mein Unbehagen zu kaschieren. «Das ist
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