Tod auf dem Drahtseil (Roman) (German Edition)
Cedric wieder auf. „Ich habe mich erkundigt über dein Vorleben und deine Familie, denn ich weiß immer gern, wer meine Leute sind. Es war gar nicht einfach, aber ich habe es herausgefunden, von welcher Herkunft du bist. Es war schon richtig, dass du ein großes Geheimnis darum gemacht hast. Niemand hätte dich eingestellt, wenn bekannt geworden wäre, dass du die Tochter von Lord Ashbury bist, der sich mühelos mehr als einen Zirkus aus der Portokasse leisten könnte. Aber auf diese Weise bietest du dich förmlich an als Sündenbock. Du bist das tief vom Leben gefrustete Töchterlein einer vornehmen Adelsfamilie, die mit dem Zwiespalt zwischen Herkunft und Neigung nicht mehr fertig wurde. Lady Patricia“, er lachte wieder auf. „Vielleicht werden dir sogar ein paar teure Psychiater bescheinigen, dass du ein leicht gestörtes Verhältnis zur Realität hast, oder irgendeine andere vornehm klingende Ausrede. Was weiß ich, es wird bestimmt etwas dabei herauskommen.“
„Was soll das heißen?“, fragte Pat jetzt tonlos. Ihr dämmerte ein Verdacht, den sie aber nicht einmal in Gedanken fassen wollte.
„Ach, liebste Pat, das ist doch ganz einfach, oder willst du mich nicht verstehen? Natürlich wirst du es gewesen sein, die das Feuer legt. Und du wirst bedauerlicherweise in den Flammen umkommen. Ein großer Verlust für das Artistenvolk und für die Menschheit, ich weiß. Aber manchmal muss man einfach Opfer bringen.“
Das klang vollkommen normal und doch so abgrundtief skrupellos, dass es Pat schauderte. Sie zerrte wieder an den Fesseln, aber die waren gut gebunden, und es gab einfach keine Chance sich zu befreien.
„Cedric, das kannst du nicht einfach tun. Du willst mich doch nicht umbringen? Ich bitte dich, bis jetzt ist doch noch nichts passiert, was man nicht wieder in Ordnung bringen könnte. Aber Mord? Cedric, das kannst du nicht ernst meinen. Du kannst doch nicht einfach töten! Du doch nicht!“
Pat spürte voller Angst, dass jedes Wort, das sie aussprach, wie in einen leeren Raum fiel und ungehört verhallte. Cedric konnte und würde nicht auf sie hören, er war verblendet und so in seinen eigenen Gedankengängen gefangen, dass nichts und niemand ihn von seiner Linie abbringen konnte.
„Ich sage es dir noch einmal, Pat, es tut mir wirklich leid um dich. Du bist eine gute Artistin. Also bitte, nimm es einfach nicht persönlich, es hätte jeder andere sein können, aber es hat nun einmal dich getroffen. Jemand muss ein Opfer bringen, und fast ist es Verschwendung eine junge hübsche Frau wie dich zu benutzen. Aber meine Wahl ist gefallen und kann nicht mehr rückgängig gemacht werden. Adios, schöne Lady Patricia.“
Er ging davon, während Pat laut aufschrie, heftig und verzweifelt an ihren Fesseln zerrte, die mittlerweile eng in ihre Hände und Füße schnitten. Dann blieb sie allein zurück, ihrer Verzweiflung und dem Schock überlassen, vor Kälte fast starr und vor Angst zerfressen.
*
Keith hatte seinen Wagen auf dem Parkplatz beim Zirkus abgestellt, sich kurz umgesehen und dann bemerkt, dass der Wagen, den seine Mutter Pat gegeben hatte, ganz in der Nähe stand. Also musste sie noch in der Nähe sein. Vielleicht war es ja doch noch nicht zu spät.
Er lief nun durch das wie ausgestorben wirkende Zirkusgelände, merkte, wie die Tiere bei seinem unbekannten Geruch unruhig wurden, konnte aber niemanden entdecken. Jetzt nahm er keine Rücksichten mehr, die Sorgen machten ihn fast verrückt. Laut rufend lief er jetzt herum, doch er bekam keine Antwort. Wenn Pat noch hier war und es ihr gut ging, würde sie sich doch melden, oder nicht? Aber nichts rührte sich, nur das ungnädige Grollen der Raubtiere antwortete dem jungen Mann.
Schließlich begann Keith an die Tür eines Wohnwagens zu trommeln, bis von innen eine ärgerliche Stimme etwas Undeutliches rief. Lamont ließ in seinen Bemühungen aber nicht nach, bis endlich die Tür aufgerissen wurde und ein verschlafen wirkender Mann in einem alten fleckigen Bademantel vor ihm stand und ihn ausgesprochen ungehalten anschaute.
Keith hielt sich nicht lange mit Vorreden auf. Er zückte seine Marke. „Pat Lionheart ist verschwunden“, stieß er hervor.
„Na und?“, brummte der Mann. „Unter meinem Bett liegt sie nicht.“ Er wirkte nicht sehr hilfsbereit und war eindeutig noch nicht ganz wach. „Rufen Sie die Polizei“, empfahl er in krasser Ignoranz von Lamonts Marke.
„Ich bin die Polizei“, bemerkte Keith bissig und hielt dem
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