Tod auf dem Drahtseil (Roman) (German Edition)
hatte.
Aber im Gesicht von Keith sah sie die ganze Wahrheit. „Also nicht!“, stellte sie ruhig fest. „Dann müssen wir warten bis heute Abend. Denn er wird mit Sicherheit nicht darauf verzichten den Zirkus in Schutt und Asche zu legen. Er ist nicht mehr fähig klar zu denken. Aber dort können wir ihn dann kriegen.“
Keith war erstaunt über die Kaltblütigkeit, die Pat an den Tag legte, doch er hatte in diesen wenigen Stunden Lord Ashbury recht gut kennen und schätzengelernt. Und wenn der seiner Tochter all seine Werte, seinen Eigensinn und seine Charakterstärke vererbt hatte, dann war es kein Wunder, dass Pat diese ganze Sache mit Stolz und Anstand hinter sich bringen wollte.
Interessant und ein wenig irritierend fand Keith das Verhalten zwischen Vater und Tochter. Pat hatte ihren Vater angesehen und sich kaum eine Überraschung anmerken lassen.
„Ich hätte nicht gedacht, dass du kommst“, sagte sie leise zu ihm.
„Und ich wusste, du würdest mich in keinem Fall benachrichtigen, du stures Kind“, gab er ebenso leise zurück. „Da bin ich aber jetzt recht froh, dass du jemanden gefunden hast, der genügend Verstand besitzt, mich in einer brenzligen Situation dazu zu holen.“ Der Lord hatte rasch festgestellt, dass seine Tochter und der junge Inspector tiefgehende Gefühle füreinander entwickelt hatten. Noch wusste er nicht, dass Keith selbst von Adel war, für den Lord war es nur wichtig, dass seine Tochter glücklich wurde, er hatte keine Probleme, wenn sie einen Bürgerlichen heiraten wollte.
Dann hatte er seine Tochter fest in die Arme genommen, auf seinem Gesicht konnte man sehen, wie erleichtert er war, auch wenn er das gut zu verbergen vermochte. Sanft hatte er seine Tochter auf die Stirn geküsst. Mehr schien zwischen den beiden nicht nötig zu sein. Augenscheinlich liebten sie sich sehr, aber sie taten sich sehr schwer damit, das gegenseitig zu zeigen.
Dabei war Lord Ashbury fast jeden Tag über den Aufenthaltsort seiner Tochter durch einen Detektiv informiert gewesen, er machte sich Sorgen, auch wenn er ihr verboten hatte, den Namen zu tragen, solange sie zum fahrenden Volk gehörte. Pat hatte das einfach so akzeptiert, aber jetzt gab es für sie nichts schöneres, als die Kraft und die Anwesenheit ihres Vaters zu genießen.
Oder fast nichts Schöneres. Noch besser war die Umarmung von Keith, der sie festhielt, als wollte er sie nie wieder loslassen.
Lamont wollte die junge Frau jetzt eigentlich auf der Stelle nach Glencarrick Castle zurückbringen, doch da biss er auf Granit, wie er feststellen musste. Pat lehnte vehement ab, und Lord Ashbury quittierte dieses eigensinnige Verhalten nur mit einem Lächeln. Er schien seine Tochter wirklich gut zu kennen.
„Mein Wohnwagen steht noch auf dem Zirkusgelände. Alles, was ich brauche, kann ich dort finden. Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich mich jetzt einfach ausbooten lasse, nachdem er mir so übel mitgespielt hat? Ich will, dass wir Cedric finden und dass du ihn verhaftest. Das ist im Augenblick alles, was ich brauche.“ Ihre Stimme klang entschlossen und bestimmt, da war sie ganz die Tochter ihres Vaters.
„Was du dringend bräuchtest, wäre eine Woche im Krankenhaus bei bester Verpflegung und besonders liebevoller Betreuung“, stellte Keith fest.
Pat lachte auf. „Im Augenblick brauche ich wirklich nur die Befriedigung, dass Cedric verhaftet wird, bevor er noch mehr Unheil anrichten kann. Und danach werde ich mich gerne ein bisschen verwöhnen lassen, wenn du einverstanden bist.“
Lord Ashbury nickte bei diesen Worten, schaute seine Tochter liebevoll, aber dennoch besorgt an, so als befürchtete er, sein Mädchen könnte das nicht durchhalten, was sie sich selbst auferlegte.
Mittlerweile waren sie aber aus den Höhlen heraus. Man hatte Pat eine Decke über den Körper gelegt, und ihr war längst nicht mehr so kalt. Außerdem hatte sie einen heißen Tee mit einem Schuss Whisky getrunken, und jetzt strömte angenehme Wärme durch ihren Körper. Sie war zwar immer noch leichenblass, aber die wilde Entschlossenheit in ihren Augen zeigte deutlich an, dass sie sich nicht schonte, bis diese ganze Sache abgeschlossen war.
So fuhren die vier dann zum Zirkus zurück, nachdem Keith die Suchaktion der Polizei für beendet erklärte.
Doch noch auf dem Weg zum Zirkus wurden sie von Feuerwehrautos mit Martinshorn und Blaulicht überholt. Und dann sahen sie auch schon den dunklen Rauch, der emporstieg, und ein Fluch löste sich
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