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Tod Live

Tod Live

Titel: Tod Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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verstanden. NTV war die Station mit der Schicksals-Serie. Und Vincent war Vincent Ferriman. Die NTV lenkte Vincent Ferriman, der die Schicksals-Sendungen leitete. Katherine hatte sich das Programm nie angesehen, aber sie wußte, worum es ging. Peter sprach ständig davon, er verfolgte die Sendungen, er akzeptierte die offenbarten Gründe, die Pflicht an der Gesellschaft, er akzeptierte ja alles, und sie wußte, was in den Sendungen gemacht wurde. Was getan wurde. Was den Menschen angetan wurde.
    »Nein, Harry. Das dürfen sie nicht.«
    Er trat zurück. »Natürlich nicht.«
    »Nicht mit mir.«
    »Natürlich nicht mit dir. Nicht, wenn du es nicht willst.«
    Sein Tonfall ließ sie aufhorchen; seine sofortige Zustimmung. Und die Art, wie er ihrem Blick mit offensichtlichem Schuldgefühl begegnete. Sie stellte ihn auf die Probe.
    »Natürlich zahlen sie gut«, sagte sie.
    »Aber was nützt uns das?«
    »Und die Programme haben auch ihr Gutes.«
    »Unsinn, Dreck. Das Programm appelliert an die niedrigsten Instinkte des Menschen.«
    »Und ich bin sicher, daß die Filmerei sehr taktvoll vor sich geht.«
    »Ekelhafter Gedanke.«
    Ohne ihn zu berühren, ging sie auf Abstand. »Und was hast du ihm gesagt, diesem – Vincent?«
    »Ich habe abgelehnt. Ich habe ihm gesagt, er soll sich verziehen. Ich sagte ihm, er bekäme niemals meine Unterschrift auf seinen widerlichen Vertrag, auch wenn du zustimmst. Ich sagte ihm, er soll sich verziehen.«
    Sie zitterte am ganzen Körper. Sie ließ sich von ihm zur Küchentür führen, ließ sich von ihm einen Whisky holen, vermochte aber das Glas nicht selbst zu halten. Also führte er es ihr zum Mund und wischte ihr das Kinn ab, als sie sich verschluckte. Sie haßte Whisky; er war nur wegen Harry im Haus. Und die Frühlingssonne schien so grell auf die Tischdecke, daß sie am liebsten geweint hätte. Wenn seine Ablehnung nur nicht so vehement gewesen wäre, dachte sie. So klar, so entschieden, so heftig. Wenn Harry nicht so vehement gewesen wäre, hätte ich ihm vielleicht geglaubt. Dann hätten wir dem verdammten Fernsehen den Rücken kehren können.

 
MITTWOCH

     
     
    Den größten Teil des nächsten Tages verbrachte ich damit, Ausschnitte früherer Schicksals-Sendungen zu sehen. Bisher hatte Vincent weder Katherine Mortenhoe noch ihren Mann verpflichten können, aber er glaubte das bald hinbiegen zu können. ›Hinbiegen‹ – das war ein Begriff, über den ich nicht weiter nachdenken wollte. Ich hatte es ohnehin nicht sonderlich eilig, mir die arme Mrs. Mortenhoe vorzuknöpfen. Da ich bei den bisherigen Sendungen nicht mitgewirkt hatte, gab es für mich noch viel nachzuholen, nicht nur im Hinblick auf die Arbeitstechnik. Man kann nicht einfach in eine beliebte Serie einsteigen, ohne zu wissen, was das Erfolgsrezept ausmacht. Jede Sendefolge hat eine besondere Atmosphäre, einen eigenen Stil – wie bei einem modischen, neuen Anzug, der, sobald man ihn trägt, unmerklich das eigene Verhalten verändert, woran man sich erst gewöhnen muß. Neue Ideen, die ich einbrachte – und ich hoffte, viele Einfälle zu haben –, mußten in die richtige Form gekleidet werden. Vincent teilte mir also einen Techniker mit einem Stapel Bänder zu und überließ mir den NTV-Vorführraum.
    Acht schafslederne Sitze in luxuriöser Umgebung, automatisch verstellbar, daneben eine hübsche, rote Plastikkonsole mit individuellen Serviceeinrichtungen, einem simultanen Übersetzungsdienst in die vier Weltsprachen, Gedächtnisbanknotizen, einem interkontinentalen Telefon, Leitungen zum Informationszentrum und zur Datenbank, Kontrollen für die Klimaanlage und Zapfhähne für verschiedene heiße und kalte, süße und saure, alkoholische und nichtalkoholische Getränke. Als einziges fehlte vielleicht ein leises Vibrogerät, das einem bei pornographischen Filmen das Onanieren ersparte.
    Ich verbrachte die meiste Zeit unbeeindruckt im Stehen und machte mir Notizen auf der Rückseite gebrauchter Umschläge.
    Wenn ich heute an die zehnstündige Sitzung zurückdenke, fällt es mir schwer, meine Erinnerungen nicht durch die Brille späteren Verstehens zu sehen. Aber wenn ich mein damaliges Verhalten erklären, geschweige denn entschuldigen will, muß ich mir Mühe geben. Immerhin hatte ich vorher nur wenige Folgen der Schicksals-Serie gesehen: Ich arbeitete im Schichtdienst und hatte im Gegensatz zu einigen Kollegen nicht mein ganzes Leben dem Medium Fernsehen verschrieben. Ich kannte andere Möglichkeiten, mich mit

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