Tod Live
törichte, alte Frau hält.«
»Hören Sie, das zieht nicht.«
»Ich mein’s wirklich so.«
»Das hat doch ’n Bart.«
Sie blickte aus nächster Nähe in sein Gesicht. Er machte sich Sorgen, und das fand sie unerträglich. »Ich frage mich, warum sich ausgerechnet Typen wie Sie immer so eingehend mit älteren Frauen beschäftigen müssen«, sagte sie.
Er rührte sich nicht von der Stelle. »Weil wir wohl noch etwas von einem Kind in uns haben.« Er drückte ihr ein letztes Mal den Arm und stand auf. »Außerdem haben Typen wie ich ein bißchen mehr Takt.«
Leise ging er zur Tür.
»Wenn Sie sich jetzt freinehmen wollen, Katie-Mo – ich lasse Babs bestimmt nicht zu viele schlimme Dinge tun, das ist ein Versprechen. Ich bin eigentlich kein so ekelhafter Mensch.«
Solange er dort an der Tür stand, konnte sie nur daran denken, wie wenig ekelhaft er war, und sich die richtigen Worte wünschen, ihm das zu sagen. Aber als er verschwunden war, vergaß sie ihn völlig.
Sie mußte jetzt praktisch denken. Sie hatte nur vier Wochen Zeit. Sie mußte sofort bei Peregrine kündigen. Vier Wochen, in die sie die nächsten fünfzig Jahre ihres Lebens hineinpacken wollte. Sie mußte die Banalitätssperre in Barbaras Titelphase überprüfen. Wahrscheinlich war dabei das Testprogramm für ein ganzes Buch anzusetzen. Fünfzig Jahre der Bedürfnisse und Belohnungen, der Liebe und Verwirklichung, der Macht und des Sex. Fünfzig Jahre der Liebe – so ausgedrückt hörte es sich lächerlich an. Und da war die menschliche Würde. Sie mußte es Harry sagen. Bei nur vier Wochen war Würde vielleicht das einzig Wichtige. Oder vielleicht gerade nicht. Sie mußte es Harry sagen. Dann das Buch. Sie mußte es ihrem Buch anvertrauen, ihrer Unsterblichkeit. Aber zuerst mußte sie bei Peregrine kündigen. Und es Harry sagen. Und wenigstens noch je einen Roman von Pargeter, Paladine und Wentworth anlaufen lassen. Und es Harry sagen. Und es Harry sagen.
Sie setzte sich mit Peter über das Sprechgerät in Verbindung. Er meldete sich sofort.
»Katie-Mo?«
»Titelbild von Partner einer Königin?«
»Barbara hat ein Bild von dem Haus vorgeschlagen, große Totale. Die Szene von Seite siebzig. Krone im Vordergrund, im Gras liegend.«
»Einfache Herstellung?«
»Laut Informationsabteilung alles am Lager und auch nicht kürzlich verwendet. Aber ich habe Farbveränderungen programmiert, um sicherzugehen.«
»Bekomme ich einen Musterabzug?«
»Klar.«
»Gut… Wenn man Sie von Sonnenuntergängen und Ölraffinerien fernhält, sind Sie ein Schatz. Und ganz und gar nicht ekelhaft.«
Sie warf den Schalter herum, ehe er antworten konnte. Ein Schatz? Das Wort hatte sie bisher nur von ihrer ersten Stiefmutter gehört, einer Amerikanerin. Sie war ein lebendes Durcheinander vieler Stilrichtungen, von denen keine ihre eigene war. Die amerikanische Stiefmutter hatte einen guten Eindruck machen wollen. Ihre Nachfolgerin, die eine eigene Familie mitbrachte, vertrat die Überzeugung, Kinder sollten sich ihren Weg selbst suchen. Als ihr Vater weitergezogen war, zu einer neuen Karriere, in ein neues Leben, war Katherine kurz bei dieser Familie geblieben, wie eine Klette. Dann kamen Schulen, Universitäten, Jobs, Chefs… und jetzt war sie vierundvierzig.
Sie mußte es Harry sagen. Sie griff nach dem Telefon, wählte die Nummer der Wohnung und lauschte auf das Klingeln, das keine Antwort finden würde, weil Harry erst um drei Uhr von der Arbeit kam. Die Glocke läutete immer wieder, und Harry würde nicht rangehen, weil er erst um drei Uhr aus dem Büro kam. Sie stellte sich die leere Wohnung vor und das Telefon, das darin läutete. Der Gedanke war tröstend, und sie ließ es klingeln, während sie sich an den Entwurf ihres Kündigungsschreibens machte. Dann zerriß sie den Entwurf und unterbrach das Klingeln und kam zu dem Entschluß, daß sie keineswegs kündigen würde.
Und sie würde es vorläufig niemandem sagen; erst wenn – um mit Dr. Mason zu sprechen – ihre Bewegungskoordination unter die Ebene absank, die für die volle manuelle Geschicklichkeit erforderlich war, ja, dann…
Später rief sie Peter herüber und sagte, sie würde zum Mittagessen gehen.
Als sie ins Büro zurückkehrte, war Peter fort, aber der Titelbildandruck für Partner einer Königin lag auf dem Tisch. Sie sah sofort, daß das Rot nachgedunkelt werden mußte. Ihr Farbensinn – das war etwas, was man nicht lernen konnte; man hatte ihn oder nicht. Peter besaß keinen
Weitere Kostenlose Bücher