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Tod Live

Tod Live

Titel: Tod Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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gerechnet. »Das ist schnell«, sagte ich zu dem Barmann.
    Er zuckte die Achseln. »Computer«, sagte er, als erklärte das alles und als wäre er ohne Computer selbst ein Meisterverbrecher geworden.
    Als nächstes kam Werbung, dann eine Talkshow mit einem ältlichen Talkmaster, der offenbar auf einem Trip war. Als ich wieder hinschaute, wurde gemeldet, daß die Polizei die Studenten irgendwo im Norden in die Enge getrieben hatte, und es war von Waffen die Rede. Das hatte Katherine Mortenhoe noch gefehlt: eine frühmorgendliche Kugel hinter die Ohren, in irgendeiner protzigen Wohnturmvorstadt. Das würde uns allen – ihr auch? – eine Menge Ärger ersparen. Und wir würden auf viele Fragen keine Antwort mehr erhalten. Und – vielleicht – auch niemals mehr Auftrieb durch die Begabung eines sterbenden Mitmenschen zur Freude.
    Auch ohne Talkshow wäre die nächste Viertelstunde lang gewesen, doch mit dem Gerede dehnte sie sich unendlich. Aber schließlich vergingen die Minuten, und in den folgenden Nachrichten war Katherine auf dem Weg ins Krankenhaus; sie hatte nur einen Schock erlitten. Die Studenten hatten, nachdem sie umstellt worden waren, auf einen heroischen Kampf verzichtet und lieber leben wollen, um eines anderen Tages weiterzukämpfen. Also hatten sie sich er- und Katherine Mortenhoe freigegeben, wobei nur ein Student erschossen wurde.
    Was Katherine anging, war die ganze Episode in knapp einer Stunde vorbei. Ein triviales Ereignis, nur vorübergehend aufregend, und eigentlich gar nicht erwähnenswert, außer daß es ihr vielleicht den letzten Anstoß gab, der sie in Vincents Arme trieb. Wenigstens sah ich die Sache damals so. Der günstig gewählte Zeitpunkt des Unternehmens verriet mir zweierlei: daß sich Vincent auf sein Handwerk verstand, was ich bereits wußte, und daß er es eilig hatte. Er hatte wohl das Gefühl, daß ihm Katherine Mortenhoes Tage wie Sand durch die Finger rannen.
    Ich war froh, daß niemand den Studenten sagen konnte, für wen sie in Wirklichkeit ihre Jugend im Gefängnis verbrachten. Nur ich, und so sadistisch war ich nun auch wieder nicht.
     
    Katherine haßte die Studenten, groteske Gestalten in ihrem Augenblick vermeintlicher, ruhmreicher Revolution. Untereinander sprachen sie einen bewußt unverständlichen Guerillaslang und betonten damit ihre Loslösung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Sie trugen sogar eine Art Uniform, die übliche geflickte Flakjacke. Dabei war Guevara tot und seit vielen Jahren begraben. Sie verachtete ihr Denken, das im Grunde mehr ein Fühlen war und ihnen eine Art sorgloser Freiheit bescherte. Sie verachtete sie und fand sie sogar leicht schockierend.
    Katherine konzentrierte ihre Energie darauf, sich an die vor ihr befindliche Sitzlehne zu klammern, während der Wagen durch die verlassene Stadt schleuderte.
    Dann bäumte sich vor ihnen der Buckel eines Rundverkehrs auf, unglaublich hoch, die riesigen Blumenbeete farblos in den grellen Scheinwerferstrahlen, und der Wagen erklomm ihn, stürzte um und lag still. Ihr wurde plötzlich klar, daß sie ja seit ihrer Entführung jeden Augenblick hätte getötet werden können. Und erkannte, als sie das Bewußtsein verlor, den schweren Kindheitsduft von Mauerpfeffer.
    Sie erwachte und hatte Schüttelfrost. Dr. Mason stand neben ihrem Bett, prüfte Puls und Atmung auf einem Bildschirm, und es dauerte einige Sekunden, bis sie herausfand, warum sie sich über seinen Anblick nicht freuen durfte. Dann fiel ihr Vincents Brief ein und seine Aufrichtigkeit am Telefon: »So viele Leute haben damit zu tun, Mrs. Mortenhoe. Da kann an vielen Stellen etwas durchsickern…«, und die ganze Affäre war plötzlich so lange her und so unwichtig, und Dr. Mason war wieder der einzige Weg durch den professionellen Dschungel.
    Er sah, daß sie die Augen geöffnet hatte, und lächelte. »Sie haben sich den Kopf gestoßen«, sagte er. »Nicht sehr schlimm. Alles bestens mit Ihnen.«
    »Und die dummen Studenten?«
    Er runzelte die Stirn. »Wenn Sie Ihre Schüttelfrostanfälle haben, Katherine, sollten Sie sich zu entspannen versuchen, das strengt Sie weniger an. Versuchen Sie, tief zu atmen.«
    Sie versuchte, tief zu atmen. Der Schüttelfrost ließ nach. Sie wiederholte ihre Frage nicht – wenn er ihr eine Unannehmlichkeit ersparen wollte, war ihr das recht. Die Studenten waren ihr ohnehin nie besonders real vorgekommen – eher wie Schauspieler in einem schlechten Film.
    »Ich habe Ihnen geschrieben«, sagte Dr. Mason.

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