Tod Live
noch Pitcairn.«
»Um diese Jahreszeit ist das voller Deutscher.«
»Du bist provinziell, Kate. Außerdem sind die Deutschen überall.«
»Außer in Deutschland. Da treiben sich haufenweise Amerikaner herum.«
»Ich kann mir das nicht vorstellen. Immerhin…«
»Ein Witz, Harry. Nur ein Witz.«
Harry schniefte, verlagerte seine Beine unter der Bettdecke und nahm willkürlich einen Prospekt zur Hand. »Wie wär’s mit Tasmanien?« fragte er.
Damit hatte er es verdorben. Wie naiv, doch immer an Inseln zu denken! Als ob es irgendwo ein Versteck, eine Zuflucht gäbe. Sie nahm ›Tasmanien – Heimat des pazifischen Grand Prix‹ zur Hand und besah sich die Bilder. »Na gut«, sagte sie. »Wir fliegen dorthin. Wenigstens ist es weit weg.«
»Bist du sicher? Ich meine, es ist nicht sehr…«
»Dorthin fahren wir, Harry.«
Nachdem die Entscheidung gefallen war, geriet Harry sofort in Aufregung. Wie war das mit dem Klima? Und mit der Kleidung? Und die Währung? Und Visen? Und…
»Ruf Vincent an«, sagte sie. »Er soll sich darum kümmern.«
Harry sah sie zweifelnd an. »Vincent ist immer sehr beschäftigt.«
»Kann man wohl sagen. Solange ich noch lebe, wird er sich mit dem beschäftigen, was ich ihm sage. Dafür wird er von der NTV bezahlt.«
»Du bist früher nicht so hart gewesen, Kate.«
Darauf gab es mehrere Antworten, doch sie ging nicht darauf ein. Heute war ein Tag des Handelns, nicht des Grübelns.
Nach mehrmaliger Aufforderung rief Harry im NTV-Haus an. Vincent war so charmant und hilfsbereit wie zu Anfang – und er war entzückt über die Wahl des Reiseortes. Tasmanien biete sehr schöne Szenerien für die Aufnahmen, die Inselbewohner, die noch wenig von den Medien abhingen, würden kaum Schwierigkeiten machen, technisch war die Lage bestens – wegen des jährlichen Grand Prix. Sein Assistent würde alle Vorbereitungen treffen, und die Dokumente würden bereitliegen, sobald sie um vier ins NTV-Haus kamen. Was die Kleidung anging, so würde er es vorziehen, wenn sich Mrs. Mortenhoe selbst eindeckte. Weder er noch sein Assistent würden sich anmaßen wollen, für eine schöne Frau Kleider auszusuchen. Katherine, die dicht neben Harry stand, hörte das.
»Die schöne Katherine Mortenhoe und ihr schöner Mann geben ein schönes Paar ab, während sie in einer schönen Welt schöne Dinge tun, und während sie sich auf einen schönen Tod vorbereitet. Es wäre alles so schön…«
Doch gegen einen Einkaufsbummel hatte sie nichts. Sie faßte keinen genauen Plan, sich von Harry zu trennen – ein Modeladen war dazu so geeignet wie jeder andere Ort.
Sie verließen die Wohnung. Katherine blickte nicht zurück. Wenn sie schon Harry so einfach verlassen konnte, dann auch diese anderen Reste ihres Lebens. Im Nieselregen flackerten Buchstaben über die Schirme der Zeitungsstände: REKORDPREIS FÜR SYNDROMOPFER – EXPLOSION ZERSTÖRT UMSPANNWERK – NTV NIMMT MORTENHOE UNTER VERTRAG – AUFSTÄNDE IN KLEINSTADT – FERRIMAN ÜBER »IST STERBEN EINE STERBENDE KUNST?« Sie drängte Harry weiter, ehe er sich einen Printout kaufen konnte. Sie zog es vor, daß er von seinem Reichtum erst später erfuhr, wenn er getröstet werden mußte, nachdem seine Tasmanien-Reise gestrichen worden war.
Fast sofort wurden sie von Reportern aufgespürt. Sie ging weiter. Harry, der außer Atem war, aber Spaß an der Szene hatte, gab im Laufen ein Interview. All das Gerede wird ihm fehlen, dachte sie, wenn um vier Uhr die NTV-Exklusivität in Kraft tritt.
Vor dem Modeladen zogen sich vorschriftsmäßig die Reporter zurück; Harry wurde mitten im Satz unterbrochen. Katherine plazierte ihn entschlossen auf einen zerbrechlich wirkenden Goldstuhl, während sie ringsum Berge von Sommerkleidung von den Stangen nahm. Dann küßte sie ihn leicht auf die Stirn und tätschelte ihm zum Abschied kurz den Arm. Er blickte erfreut zu ihr auf und dachte an den Morgen. Sie entschwebte in eine der Umkleidekabinen.
Die drei Spiegel nahmen kurz ihre Aufmerksamkeit gefangen – Vincent Ferrimans wertvolle Ware, Dr. Masons Todespatientin, Peters Katie-Mo, die verdammte Plage ihres Vaters, Geralds Panzerkreuzer, Harrys neue, harte Kate, ihre eigene… Ihr eigener, schlimmster Feind? Sie lächelte, warf die Kleider auf einen Stuhl und verließ die Umkleidekabine.
Sie blieb hinter einer großen Vitrine stehen, lugte dann vorsichtig um die Ecke. Harry war kein Mr. Mathiesson. Er saß dort, wo sie ihn hingesetzt hatte, pflichtgemäß, die Beine
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