Tod Live
»Wie ein Seehund mit seinem Trainer«, sagte sie. »Klatsch, klatsch, und er balanciert den Ball. Und Sie meinen wirklich, daß ich nun hierherkommen möchte, nachdem Sie mir das alles gezeigt haben?«
»Sie mußten eine klare Vorstellung von dem gewinnen, was Sie ablehnten. Und warum Sie es ablehnten.«
Der Fahrstuhl erreichte das Erdgeschoß. Sie taumelte hinaus, von dem Gedanken an Flucht erfüllt. Aber dann drehte sie sich noch einmal um. Sie war noch nicht fertig mit ihm. Er hatte kein Recht, er hatte nicht das Recht, Gründe zu verlangen. »Ich glaube, ich würde lieber zu einer Gruppe wimmernder Idioten wollen als in die chemische Fröhlichkeit da oben.«
»Ich kann Ihnen ein paar Wimmerer besorgen, wenn Sie das wünschen.«
Sie hätte ihn fast geschlagen. »Sie lachen über mich und Ihre Patienten. Sie sind es nicht wert, Arzt zu sein.«
Sein Gesicht erstarrte, und er wandte den Blick ab. Sie hatte ihn tiefer getroffen als erwartet. »Was für Fehler ich auch haben mag, ich kann Ihnen versprechen, daß ich weder Sie noch die Leiden der Alten irgendwie amüsant finde.«
Es war ein lächerliches Gespräch. Menschen drängten sich an ihnen vorbei in den Fahrstuhl, doch er schien sie nicht wahrzunehmen. »Sie möchten offenbar einen anderen Arzt konsultieren. Wenn ich mich recht erinnere, haben Sie schon mehrfach mit Doktor Clarke gesprochen. Wenn Sie Hilfe brauchen, können Sie das Medizinalzentrum anrufen – es wird Sie mit ihm verbinden. Ich sorge dafür, daß er Ihre Unterlagen bekommt. Viel Glück.«
Er verbeugte sich einige Millimeter und ließ sie stehen. Sie wollte protestieren, sie hatte es nicht so gemeint. Sie wollte von Dr. Clarke nichts wissen, sie wollte nur ihn. Er kannte sie. Er verstand sie. Er war ihr einziger Weg durch den professionellen Dschungel.
Doch obwohl er sie kannte, hatte er sie in dieses schreckliche Gebäude geführt, und die Menschen, die er ihr gezeigt hatte, ängstigten sie mehr als der Tod.
Sie sah ihm nach, wie er durch das belebte Foyer schritt. Sie würde seinen Dr. Clarke nicht aufsuchen. Wo immer sie war, was ihr auch widerfuhr – sie hatte jetzt niemanden mehr, an den sie sich wenden konnte. Sie nahm sich zusammen und verließ das Krankenhaus, trat in den sonnigen Mittag des vierundzwanzigsten Tages vor ihrem Tod hinaus. Wenn sie sich beeilte, erwischte sie Vincent Ferriman noch vor dem Mittagessen.
Der nächste Mann auf meiner Liste, von dem ich Hilfe bei dem Verständnis der einzig wahren und kontinuierlichen Katherine Mortenhoe erhoffte, war ihr Mitarbeiter bei Computabuch. Ich traf gegen zehn Uhr in seinem Büro ein, zu einer Zeit, da Katherine noch im Krankenhaus war und uns bestimmt nicht störte. Vincent hatte gesagt, er wollte mich, was sie betraf, noch im Hintergrund halten. Ich hatte ihn schließlich beim Frühstück erreicht: Mir lagen einige Fragen über die armen Studenten auf der Seele. Er wehrte mich so elegant ab, daß mir schon wieder Zweifel kamen, ob er mich tatsächlich abspeiste. Doch ich wußte aus Erfahrung, daß er um so besser kämpfte, je mehr er zu verbergen hatte.
Katherines Peter war eine Enttäuschung. Entweder mochte er sie sehr und verriet mir deshalb nichts, oder er mochte mich so wenig. Er sagte mir, sie käme früh zur Arbeit und ginge spät wieder nach Hause. Sie sei eine rücksichtsvolle Chefin. Sie verachte ihre Arbeit nicht, höbe sie jedoch auch nicht in den Himmel. Sie sehe alles im rechten Maß… Na ja, vielleicht sei ihr Humor nicht sehr ausgeprägt. Die Frau, die er mir beschrieb, war niemand – und schon gar nicht Katherine Mortenhoe.
Vielleicht war ich nicht sein Typ. Manche Homos flogen auf mich, andere nicht. Wie dem auch sei, ich tat zwar einiges für die NTV, aber dazu hatte ich es noch nicht kommen lassen.
Ich versuchte es anders herum. »Hat sie nie von ihrem ersten Mann gesprochen?«
»Hätte sie das tun sollen?«
»Ich bitte Sie. Er muß ihr doch etwas bedeutet haben. Schließlich hat sie seinen Namen auch in der zweiten Ehe beibehalten.«
»Vielleicht hat sie ihn gemocht. Der Name ist hübsch. Worte bedeuten ihr viel.«
Ich glaubte nicht, daß es so einfach war. »Dann hat sie also nie von ihm gesprochen?«
»Wenn ich jetzt nie sage, ziehen Sie los und machen eine große Sache daraus. Natürlich hat sie ihn erwähnt. Aber sie hat mich nie ins Vertrauen gezogen – weder über ihn noch über andere Dinge. Wir haben zusammengearbeitet, das ist alles.«
Die beiden hatten drei Jahre
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