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Tod Live

Tod Live

Titel: Tod Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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mir das Gesicht zurechtmachen.«
    Das Krankenhaus, in das Katherine gebracht worden war, hatte eine große Altersabteilung. Nach Dr. Masons Angaben lebten dort gut tausend Männer und Frauen im Ruhestand. Dieser Begriff, der so lange ein akzeptierter Teil ihres Wortschatzes gewesen war, hatte plötzlich etwas Drohendes. Sie begann zu schwitzen. Die erste Station enthielt die Geistesschwachen. In einem hübschen, kleinen Zimmer saß ein sehr alter Mann aufrecht im Bett und starrte auf ein Puzzlespiel. Während Katherine und der Arzt zuschauten, trat eine Schwester ein und legte zwei Steine in der Ecke des Bildes an – blauer Himmel und Möwen. Der alte Mann lächelte.
    »Eine einfache Narkose«, murmelte Dr. Mason. »Er glaubt, er tut alles selbst.«
    In einem anderen, sonnenhellen Raum stand ein Doppelbett. Es hätte Katherine nicht überrascht, wenn die alten Gestalten darin zwei Männer oder zwei Frauen gewesen wären, doch es handelte sich um ein Ehepaar, das bereits in der achten Erneuerung lebte. »Die beiden hatten Glück«, sagte Dr. Mason. »Sie sind mehr oder weniger gemeinsam so geworden.«
    Von Zeit zu Zeit ertönte vom Bett ein leises, elektrisches Klirren, und die beiden Menschen quiekten leise, wahrscheinlich vor Vergnügen.
    Weiter unten im Korridor erreichten sie ein Zimmer mit mehreren Betten. Ein unverständliches Plappern lag in der Luft. »Für manche ist Kommunikation das wichtigste auf der Welt.«
    Katherine schloß die Tür und lehnte sich dagegen. »Soll dies alles dazu führen, daß ich mir nicht gefangen vorkomme?« fragte sie.
    Dr. Mason schüttelte den Kopf. »Sie werden nie so enden. Geistesabwesenheit tritt nur in hohem Alter ein. Vielleicht hätten wir mit passenderen Fällen beginnen sollen.« Er entfernte sich, und sie folgte ihm aus Angst, allein gelassen zu werden. »Trotzdem interessiert mich Ihre Reaktion. Jeder Patient hier ist glücklich und beschäftigt und – soweit das seine Konzentrationsfähigkeit zuläßt – an seiner Umwelt interessiert. Würden Sie diese Wesen lieber dahinvegetieren lassen?«
    Ja. Ja, sie hätte es vorgezogen, wenn die Patienten dahinvegetiert wären. Aber das konnte sie nicht sagen. Sie konnte keine Gründe dafür anführen. Sie konnte nur empfinden. Sie fuhren mit dem Fahrstuhl in die dritte Etage, um sich passendere Fälle anzusehen.
    Die Menschen hier oben waren beweglicher und wacher. Sie kannten Dr. Mason und begrüßten ihn fröhlich, wandten sich dann wieder ihren Bridge- oder Schachspielen zu, ihren Zeitungen oder Strickpartys oder Diskussionsgruppen beim Kaffee. Wenn ihre Beine nicht mehr funktionierten, hatten sie Wägelchen, wenn ihre Arme verkümmert waren, besaßen sie Prothesen, wenn ihre Verdauung zusammengebrochen war, wurden sie auf anderem Wege ernährt. Stürzte ein Patient oder benäßte den Boden, schien außer den Krankenschwestern niemand darauf zu achten. Soweit Katherine feststellen konnte, waren alle glücklich. Es war ein Ort des Glücks.
    Um ihr die Situation zu verdeutlichen, unterhielt sich Dr. Mason mit einem verschrumpelten, alten Mann mit gelähmter Hüfte. »He, Sie, Charlie, erzählen Sie der Dame mal, weshalb Sie so verdammt fröhlich sind.«
    Charlie bog sich vor Lachen. »Hatte es nie besser, Doc.«
    »Das ist doch Unsinn. Ihre Beine funktionieren nicht. Sie haben ein schwaches Herz und können jeden Augenblick abkratzen. Ihre Familie besucht Sie nicht, und Sie sind für den Rest Ihres Lebens hier eingesperrt.«
    »Er will mich ärgern.« Charlie drehte sein Wägelchen herum, so daß er Katherine anstoßen konnte. »Ich sehe das aber so, Schatz. Es ist ein gutes Leben, aber nichts währt ewig. Das Stockwerk hier ist eine Art Zwischenstation, wo man einen Ausgleich finden kann. Ein Ort, wo alles Liebe ist.«
    Diese Worte kamen ihm weder gefühlsselig noch verlegen über die Lippen. »Wenn man Pillen braucht«, sagte er, »um zu erkennen, daß das Leben nicht nur durch und durch mies ist, dann können Sie mir jeden Tag Pillen geben.«
    »Ist das nicht ein verdammt einfacher Ausweg?« fragte Dr. Mason grob.
    »Kein Ausweg, Doc. Ein Weg nach innen. Kommt darauf an, wie man es sieht.«
    Dr. Mason dankte dem Mann und führte Katherine in den Korridor und zum Fahrstuhl. »Wie Sie sehen, sind die Leute nicht im geringsten betäubt«, sagte er. »Nicht im alten Sinne. Die Stimmungskontrolle hat seit dem alten Bromid große Fortschritte gemacht.«
    Katherine starrte ihn an. Sie war wütender, als sie sich erklären konnte.

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