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Todesgruß vom Gelben Drachen

Todesgruß vom Gelben Drachen

Titel: Todesgruß vom Gelben Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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höre das zum erstenmal“, sagte
Tim.
    „Du bist auch nicht hiesig, sondern
zugewandert als Internatsschüler. Karl meint den Tipperitzki-Schatz. Gesehen
hat ihn noch niemand. Einige meinen, es gibt ihn. Und er werde von Adelheid
gehütet, die lieber arm bleibt, als den Familien-Schmuck zu Geld zu machen.
Andere haben Zweifel, daß er wirklich existiert. Im übrigen, Karl, kannst du
dir die Frage sparen. Adelheid antwortet nicht. Manchmal lächelt sie statt
dessen. Das kann man so oder so deuten.“
    Nichts ist unmöglich, dachte Tim. Aber
wetten würde ich nicht auf die Klunkern. Daß eine gebrechliche Oma adeligen
Nobel-Schmuck in ihrer Altbau-Villa bewacht und sich nicht fürchtet — nein, das
kann ich mir nicht vorstellen.
    In Birndorf wurde der Nebel noch
dichter. Aber Gaby kannte den Weg. Sie hatte die alte Dame schon öfter besucht.
    Die Straße führte zum Wald. Große
Gärten lagen zu beiden Seiten. Der Boden roch moderig. An den Laubbäumen hingen
nur noch wenige Blätter. Ab und zu parkte ein Wagen. Irgendwo krächzte in der
Stille ein Rabe. Hier schien die Welt wie in Watte gewickelt.
    Gaby streckte den Arm aus.
    „Wir sind da.“
    Alle saßen ab. Tim schob sein Rennrad
zum Zaun und lehnte es vorsichtig an. Der Zaun sah nicht aus, als könnte er
sich noch lange halten.
    Ein riesiger Walnuß-Baum hatte sein
Sommerkleid abgeworfen. Auch Rotbuche, Esche, Ahorn und Ulme hatten sich
entblättert.
    Knöcheltief durch Laub watete die
TKKG-Bande zum Haus. Es war mit mehreren Türmchen gekrönt, hatte schmale hohe
Fenster und viel Ähnlichkeit mit einer Burg. Hinter keinem Fenster brannte
Licht. Es war 14.14 Uhr. Der Tagesanzeiger auf Tims Armbanduhr verriet: ein
Montag.

    Gaby trug die Tortenschachtel.
    Tim drückte auf die Türglocke.
    Karl nahm seine Brille ab und polierte
die Gläser.
    Schnuppernd beugte Klößchen sich über
die Tortenschachtel.
    „Hau ab!“ befahl Gaby.
    Klößchen seufzte, zog den Kopf zurück
und schob sich ein Stück Schoko zwischen die Zähne.
    Tim klingelte zum zweitenmal. Aber
niemand kam.
    „Seltsam!“ sagte Gaby. „Sie geht
überhaupt nicht mehr aus, weil sie so schlecht auf den Beinen ist. Als ich
vorhin anrief, sagte sie, daß sie sich freut. Sie erwarte uns, sagte sie.“
    Ganoven-Wetter! dachte Tim. Der Nebel
verhüllt alles. Und hier ist es total einsam. Hoffentlich...
    „Ich geh mal ums Haus“, meinte er. „Diese
Stille gefällt mir nicht.“
    „Achtzigjährige werden leicht
ohnmächtig“, nickte Klößchen, „und liegen dann tagelang rum.“
    „Blödsinn!“ fauchte Gaby ihn an. „Das
gilt nur für Kranke.“
    „Bin gleich wieder da“, sagte Tim.
    Er trabte zur Hausecke rechts. Seine
Baseball-Stiefel raschelten im Laub. Ein feuchtes Blatt löste sich aus dem
Nußbaum, segelte herab und landete auf Tims rechtem Jeans-Schenkel. Dort klebte
es. Er achtete nicht darauf, sondern rannte um die Ecke nach hinten.
    Die Rückfront wies zum Wald. Auf der Terrasse
dösten alte Gartenmöbel ihrer Verschrottung entgegen. Der Schreiner hatte die
zweiflügelige Terrassentür in 32 Felder aufgeteilt — was den Vorteil hat, daß
bei Glasbruch nur kleine Scheiben ersetzt werden müssen.
    Die Terrassentür stand offen.
    Tim verharrte auf der Schwelle, spähte
in den hohen Raum und räusperte sich.
    „Frau von Tipperitzki?“
    Ein hoher Ohrenbackensessel drehte ihm
die Rückseite zu.
    Schlohweißes Haar überragte fingerbreit
den Rand der Lehne.
    Tim räusperte sich wie ein
auftauchender Pottwal.
    Eine Amsel, die bei den Gartenmöbeln
herumhüpfte, erschrak und flog auf. Aber die Greisin rührte sich nicht.
    Schläft wohl? dachte Tim.
    „Wir sind’s“, brüllte er. „Gaby Glockner
und ihre Freunde. Guten Tag! Hallo!“
    Nichts!
    Er trat ein. Der klamme Nebel schien
plötzlich unter seine Windjacke zu kriechen. Denn jetzt sah Tim, was hier los
war. Schränke und Kommoden schoben sich in sein Blickfeld. Jemand hatte die
Fächer aufgerissen — und den Inhalt auf dem Boden verstreut.
    Sie schläft nicht — sie ist... O Gott!
    Er lief um den Sessel herum, stand vor
der alten Dame und — hielt den Atem an. Entsetzlich!
    Adelheid von Tipperitzki saß — nein,
lag in dem wuchtigen Sessel. Ohne die stützenden Armlehnen wäre sie zu Boden
gesunken. Ein dünner Blutfaden sickerte aus dem weißen Haar, floß über die
rechte Schläfe und erreichte die Wange. Die alte Frau hatte die Augen
geschlossen. Ihr Gesicht war bleich. Sie schien nicht zu atmen.
    Tim griff nach ihrer Hand

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