1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
Einleitung.
Ludwig Rellstab.
Als Napoleon I. im Jahre 1812 seine Truppen gegen Rußland führte und das Glück des übermütigen Korsen in den Flammen Moskaus und auf den russischen Schneefeldern zuschanden wurde, war Ludwig Rellstab, der Verfasser des Romans »1812«, bald dreizehn Jahre alt. Seine Jugend fällt demnach in eine der stürmischsten Epochen der deutschen Geschichte. Bis zu seinem sechzehnten Jahre hat er die Welt fast nur in Waffen gesehen, und das Hauptwerk des spätern Schriftstellers wuchs wie kein anderes aus den gewaltigen Eindrücken seiner Jugend empor. Die Schilderung des französischen Feldzuges nach Rußland und die Rückkehr des aufgelösten Heeres als mächtiger Hintergrund des Romans »1812« ist daher Rellstabs Meisterwerk geworden. – –
Die Kunst Gutenbergs, als Zweck oder Mittel, spielte in der Familie Rellstab schon seit Generationen eine Rolle. Der Urgroßvater war ein Gelehrter und bekannter Theologe, der aus der Schweiz nach Berlin berufen wurde. Der Großvater besaß eine der wenigen Druckereien in dem friederizianischen Berlin; er verlegte geistliche Schriften, und die Reste seines Geschäfts gingen noch auf den Enkel über, der dadurch von vornherein Autor und Verleger in einer Person wurde. Die hervorragende Anlage des Vaters brachte ein neues Element in die Familie; er war überaus musikbegabt und stand im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts an der Spitze aller musikalischen Unternehmungen, die sich neben der Königlichen Kapelle in Privatkreisen hervorwagten. Der frühe Tod seines Vaters zwang ihn aber, auf eine rein künstlerische Laufbahn zu verzichten, da er als einziger Sohn das blühende väterliche Geschäft übernehmen mußte. Um jedoch sein Talent in dem kaufmännischen Betriebe nicht verkümmern zu lassen, gliederte er seinem Geschäft einen Musikverlag an und suchte durch eigene Veranstaltungen das Interesse des Berliner Publikums für die ihm teuere Kunst zu beleben. Bis 1806 fanden allsonntäglich in Ermangelung passender Säle Konzerte im Hause des Verlegers selbst, Jägerstraße 18, statt, und der junge Ludwig Rellstab (geboren zu Berlin am 13. April 1799) wurde schon in der frühesten Kindheit unter musikalischen Eindrücken großgezogen; die Meisterwerke eines Händel, Bach, Graun, Gluck, Mozart und Beethoven wurden ihm von Kindheit an vertraut, und viele der damaligen Komponisten und Virtuosen wie Benda, Righini, Himmel u. a. gehörten zum Freundeser Vater war in der Erziehung seines einzigen Sohnes streng und zielbewußt; er wünschte nichts sehnlicher, als daß sein Ludwig ein Meister in der Kunst werden möge, der er selbst als seinem Lebensberuf hatte entsagen müssen, und er konnte daher die Zeit nicht erwarten, um die schlummernden Keime des Kindes hervorzulocken und zu pflegen. Das war der einzige Schatten, der auf Rellstabs sonst überaus glückliche Kinderjahre fiel. Auch den ersten Schulunterricht erhielt der kleine Ludwig von seinem Vater und von seiner Mutter, die als frühere Erzieherin eine ungewöhnliche Bildung mit einem überaus liebenswürdigen, sanften Wesen verband und ihren Kindern allezeit der Mittelpunkt ihrer heiligsten Empfindungen war. Die Verhältnisse des Hauses waren behagliche. In jedem Sommer wurde eine ländliche Wohnung im Tiergarten bezogen, der damals erst von einer chaussierten Straße nach Charlottenburg, im übrigen nur von zufällig gebildeten Fußwegen durchzogen wurde. In dieser fast noch unberührten Wildnis, wo jedes Kind der Einwohner noch sein Erdbeerfeld und seine Flucht von Himbeersträuchern eigenmächtig annektieren durfte, lag für den Knaben der herrlichste Schauplatz seiner Erinnerungen. Hier gingen ihm schon früh die Zauber der Natur auf, und das Bedürfnis, in ihr seine stete Erquickung zu finden, ist ihm zeitlebens verblieben. In seinem spätern Sommerhäuschen im Dorfe Tegel bei Berlin, unter den rauschenden Bäumen des dortigen Humboldthains, hat er alljährlich bis zu seinem Tode diese freundlichen Bilder seiner ersten Kindheit wieder aufleben lassen.
Mit fünf Jahren besuchte Rellstab die Messowsche Schule in Berlin. Er lernte leicht, war aber keineswegs ein fleißiger Schüler, sondern brachte stets schlimme Zeugnisse mit heim. Ein Widerwille gegen den Zwang der Schule war ihm angeboren und trat schon bei dem Kinde heftig hervor. Der einzige Lehrer jener ersten Zeit, an den er eine freundliche Erinnerung bewahrte, war einer namens Hense, der manche Unterrichtsstunde mit der Erzählung von
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