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Todesgruß vom Gelben Drachen

Todesgruß vom Gelben Drachen

Titel: Todesgruß vom Gelben Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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1. Ein gemeines Verbrechen
     
    An einem Tag wie heute, dachte Tim — der
früher Tarzan genannt wurde juckt es den Ganoven in den Fingern: Diebe greifen
in fremde Taschen, Einbrecher stemmen Türen auf, Gewalttäter schlagen zu. Das
Wetter ist schuld. Nicht umsonst nennt man den November den Monat der
Friedhöfe.
    Während Tim diese tiefsinnige
Betrachtung anstellte, zischten seine Rennrad-Reifen über glitschigen Asphalt.
Schwarze Wolken zogen am Himmel. Nebel waberte über den Feldern vor der Stadt.
Hier, zwischen den Häusern, kroch er durch die Straßen wie ein riesenhaftes
Gespenst im frischgewaschenen Nachthemd. Es war früher Nachmittag, aber alle
Laternen brannten, und die Autos fuhren mindestens mit Standlicht. Weiß Gott! —
ein Wetter für Ganoven.
    Klößchen radelte hinter Tim und war total
außer Atem. „Hoffentlich... püh... weicht Gabys Torte... püh... nicht auf!“
    „Sie ist bestimmt regendicht und
nebelfest.“
    Tim bremste scharf. Da war schon die
Straßenecke, wo Gaby und Karl warten wollten. Und richtig — der Dunst umfloß
zwei Gestalten auf Rädern. Beide steckten in Windjacken, und der Reißverschluß
war geschlossen bis zum Kinn.
    „Heute fallen alle Sonnenuhren aus“,
lachte Karl. „Man könnte meinen, es ist Mitternacht.“
    „Kein schönes Geburtstagswetter für
Adelheid“, sagte Gaby. Sie ließ sich von Tim umärmeln und deutete dann auf den
Karton, der auf ihrem Gepäckträger festgeklemmt war. „Die Torte?“ fragte
Klößchen.
    „Mit einer 80 aus Zuckerguß“, nickte
Gaby. „Immerhin ist es ihr 80. Geburtstag.“
    „Dann aber los!“ Tim schwang sich aufs
Rad. „In dem Alter darf man keine Zeit mehr verlieren.“
    Die TKKG-Bande fuhr los: ins Viertel
Birndorf, das gerade noch zur Großstadt gehört, aber schon ländliche Züge
trägt.
    Adelheid von Tipperitzki wohnte dort in
einer Zwölf-Zimmer-Villa am Waldrand. Es war das Elternhaus der Greisin.
Adelheid hatte nie eine andere Adresse gehabt, und sie weigerte sich
hartnäckig, die angestammten vier Wände aufzugeben. Geboren als Adelheid von
Bergensee hatte sie ihren Mann — den Baron Tipperitzki — bewogen, in die
einstige Prachtvilla einzuziehen. Den Baron deckten nun schon lange die
pflegeleichten Blumen des Friedhofsgärtners; und die Villa verkam. Mit
Adelheids zunehmender Verarmung wandelte sich das Gebäude äußerlich zum
Spukhaus. Doch Adelheid hoffte, das Dach werde erst nach ihrem Ableben
einstürzen.
    „Nicht Essen auf Rädern“, sagte
Klößchen, „sondern Geburtstagstorte auf Rädern. Warum, Gaby, machst du das
eigentlich?“
    Sie fuhr neben Tim, weil die Straße in
Richtung Birndorf unbelebt war, antwortete über die Schulter nach hinten; und
neben ihrem goldenen Pferdeschwanz mischte sich der Atemhauch in den Nebel.
    „Erstens, Willi, ist die alte Adelheid
die Ehrenvorsitzende unseres Tierschutzvereins, zweitens eine — zwar schrullige
— aber menschlich hochwertige Person, drittens kann eine freundliche Geste die
dunklen Tage der alten Leute erhellen. Stell dir vor: Jeder Jugendliche kümmert
sich wenigstens einmal im Jahr um einen Alt-Mitbürger. Das wäre ein Anfang.“
    „Den machen wir heute“, nickte
Klößchen. „Hoffentlich wird das anerkannt. Ich meine: Für eine wohlerzogene
Adelsdame gebietet es der Anstand, die Torte gleich anzuschneiden. Bin
gespannt, wie sie schmeckt.“
    „Wehe, du drängst!“ warnte Tim.
    Karl, dem dauernd die Brillengläser
beschlugen, sagte: „Ich würde die blaublütige Oma gern was fragen. Aber
vielleicht erschrickt sie dann.“
    „Was willst du fragen?“ erkundigte sich
Tim.
    „Ob das mit dem Familienschatz stimmt.“
    Im Fahren drehte Tim sich um. „Familienschatz?“
    „Hab’s von meinem Vater. Sein Vater,
mein Opa — der ja auch Professor war — kannte den Baron Tipperitzki. Einmal im
Monat spielten die beiden Schach gegeneinander. Mein Opa — der Mathe-Professor
— ließ ihn manchmal gewinnen. Aus Freude trank der Baron dann immer drei
Flaschen Wein. Deshalb ließ mein Opa ihn immer seltener gewinnen. Er wollte
nicht, daß Tipperitzki sich die Gesundheit ruiniert. Jedenfalls: Einmal, nach
der dritten Flasche Wein, verriet der Baron, daß eine Kassette mit wertvollem
Familienschmuck in der Villa versteckt sei. Darunter befinde sich auch ein
herzförmig geschliffener Smaragd von neun Karat, der berühmte
Bergensee-Anhänger.“
    „Die Geschichte hat doch einen Bart zum
Drauftreten“, rief Gaby. „Die ganze Stadt kennt sie.“
    „Ich

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