Wer Boeses saet
1
»Leck mich am Arsch!«
Das Urteil war gefallen. Der Bescheid war abschlägig, und das nach drei Stunden zähen Verhandelns. Kommissar François Marchand saß eingepfercht im Kastenwagen der Eliteeinheit der Staatspolizei und konnte nichts anderes tun, als die Zähne zusammenbeißen.
»Georges, hören Sie mir zu.«
Wieder dröhnte eine schleppende, lallende Stimme aus den Lautsprechern.
»Gar nichts will ich mehr hören, Sie Oberarschloch Sie. Der werde ich den Schädel einhauen. Und damit basta. Und dann: Paff!«
François ging nicht darauf ein. Manche Drohungen waren eher verkappte Hilferufe. Man musste ihnen Raum lassen, durfte ihnen keinen Widerstand entgegensetzen. Ein falsches Wort, ein ungeschickter Vorschlag, und schon wurde der Geiselnehmer aktiv.
Er wartete ein Weilchen, dann sprach er weiter.
»Legen Sie nicht auf, Georges. In dreißig Sekunden bin ich wieder da.«
Der Polizist unterbrach die Verbindung. Er drehte sich zu den drei Hünen um, Polizeibeamte wie er, nur nicht von derselben Schule. Sie waren schwer bewaffnet, trugen ihre Einsatzwesten und die kugelsichere Weste, kauten Kaugummis und ließen ihn die ganze Zeit nicht aus den Augen.
Hauptmann Gombert wurde unruhig. Mit seinem kahl geschorenen Schädel wirkte er wie ein aggressiver Bock, in der Hand hielt er ein VHF -Funkgerät.
»Na dann … Zugriff?«
»Geben Sie mir noch fünfzehn Minuten.«
»Wozu soll das gut sein?«
»Ich muss meinen Job tun.«
»Die Frau ist tot. Ihr Job ist getan.«
»Sind Sie da wirklich sicher?«
Stille. Die Infrarotkameras, die die Elitepolizisten rund um das Häuschen angebracht hatten, ließen eine in sich zusammengesunkene Gestalt erkennen, die mitten im Wohnzimmer an einen Stuhl gefesselt war. Der Kopf hing nach hinten, aber nichts wies darauf hin, dass die Geisel gestorben war.
Gombert antwortete:
»Der Witzbold hat das Gas aufgedreht. Ein Streichholz und das ganze Viertel geht in Rauch auf.«
»Wir haben noch eine Chance, das zu verhindern.«
Ein Zögern. Die Butangaskonzentration in der Luft schloss jeden Einsatz einer Feuerwaffe aus. Man müsste den Verrückten also überraschen, ihn in die Enge treiben oder Armbrustschützen einsetzen. Trotz der Unmenge an Daten, die sie seit dem frühen Nachmittag gesammelt hatten, sah es so aus, als werde der Zufall über den Ausgang ihrer Mission entscheiden. Die sehr gefährlich war.
Der Hauptmann verschränkte die Arme und nahm eine kriegerische Haltung ein.
»Was schlagen Sie vor?«
»Ich gehe rein.«
»Das tun Sie nicht.«
»Dazu brauche ich nicht Ihre Erlaubnis einzuholen.«
»Gehen Sie mir nicht auf die Nerven, Marchand. Dieses Einsatzgebiet untersteht meiner Verantwortung.«
François wusste, was hinter dieser Weigerung steckte. Er beschwichtigte den alten Krieger.
»Sie sind jeglicher Verantwortung enthoben. Wenn das hier schiefläuft, geht das auf meine Kappe.«
Gombert zögerte. Mit einem kurzen Rucken des Kinns befragte er seine Männer. Die Männer hatten die Sicherheitsweste und den Helm schon wieder angezogen. Synchrones Schulterzucken.
»Wenn Sie unbedingt Ihren Arsch riskieren wollen … Aber wir bleiben per Funk in Verbindung, und ich will Sichtkontakt haben.«
François nickte. Er stellte erneut die Verbindung her, während die Polizisten der Eliteeinheit aus dem Mannschaftswagen sprangen.
»Georges … Sind Sie noch da?«
»Wo soll ich denn sonst sein?«
»Ich habe mit dem Polizeipräfekten gesprochen.«
»Was geht mich das an?«
»Hören Sie mir wenigstens zu. Es ist wichtig.«
»Ich wüsste nicht, was …«
»Wir blasen alles ab.«
Stille.
»Was soll das heißen, wir blasen alles ab?«
»Sie haben beschlossen, Ihre Frau umzubringen und sich anschließend selbst in die Luft zu jagen. Das ist Ihre Entscheidung. Wir wollen nur verhindern, dass das ganze Viertel gleich mit in die Luft fliegt.«
Wieder Stille. Dann eine Hasstirade.
»Warum sollte ich nicht alles in die Luft sprengen, hä? Wer sollte mich daran hindern?«
»Das ist nicht das, was Sie wollen.«
»Was wissen Sie denn schon, was ich will?«
»Das ist eine Angelegenheit zwischen Cathie und Ihnen. Die anderen haben nichts damit zu tun.«
Plötzlich klang die Stimme des Geiselnehmers nicht mehr so selbstsicher. Auf dem Schachbrett der Gefühle gerieten die Figuren in Bewegung.
»Dann wollen Sie sie also opfern, habe ich das recht verstanden?«
»Tut mir leid. Ich kann nicht anders. Wir haben die Sache durchgesprochen. Der Verlust wurde für
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