Todesmelodie: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
hin, doch sie lehnte mit einem Kopfschütteln ab.
»Wenn ich jetzt wieder damit anfange, auch zum Genuss zu rauchen, dann komm ich gar nicht mehr los von den Dingern. Reicht schon, dass ich mich die letzte Woche über so schlecht im Griff hatte.«
»Ach komm«, winkte Hellmer ab, »man kann nicht an zu vielen Baustellen gleichzeitig arbeiten. Ein krasser Fall, dazu die ganzen Altlasten von ›Mason I‹, dann dieser Bertram … Ich meine, du rennst ja auch ständig durch den Park und hältst dich fit, oder? Da ist doch eine Stresszigarette mal drin.«
»Ja, wie auch immer.« Julia verspürte nicht die geringste Lust, sich die nächste Viertelstunde lang über die Vor- und Nachteile des Tabakkonsums zu unterhalten.
Nach ihrem Besuch in der Klinik hatte die Kommissarin noch nicht nach Hause gewollt, nicht so früh, denn dafür spukten ihr noch zu viele Dinge im Kopf herum. Also war sie wieder ins Präsidium gefahren, obgleich sie wusste, dass es dort nicht viel belebter sein würde. Sabine Kaufmann hatte sich nur kurz im Büro blicken lassen, hatte wohl einen Notfall in der Familie, über den sie partout nicht sprechen wollte. Peter Kullmer verbrachte seine Zeit hauptsächlich im Krankenhaus bei seiner Doris, was natürlich vollkommen verständlich war. In den anderen Abteilungen ging das Alltagsgeschäft unverändert weiter, eine neue Woche, neue Straftaten und neue Täter.
Ein Blinken neben dem Telefondisplay hatte verraten, dass es einen verpassten Anruf gegeben hatte, jedoch keine Nachricht und kein zweiter Versuch auf ihrem Handy. Offenbar nichts Wichtiges, schloss Julia Durant und drückte auf eine der Tasten, um sich den Anrufer anzeigen zu lassen. Es erschien kein Name, der Anrufer war also nicht im Telefon gespeichert, die Vorwahl begann mit den Ziffern 089, München. Julia betätigte eine weitere Taste, der Rückruf baute sich auf, es konnte ja eigentlich nur …
»Hochgräbe?«
Lächelnd, weil ihre Vorahnung bestätigt war, begrüßte die Kommissarin ihren bayerischen Kollegen.
»Schön, dass Sie noch zurückrufen«, hatte er gesagt.
»Bin eben immer neugierig, wenn die alte Heimat ruft.«
»Ach ja, richtig, Sie stammen von hier. Nun, ich wollte mich eigentlich nur noch einmal bedanken für die gute Zusammenarbeit. So reibungslos klappt das nicht mit jeder Dienststelle«, seufzte er kurz.
»Wir hatten ja auch beide was davon«, gab Julia freundlich zurück.
»Mag sein. Aber es ist auch immer gut zu wissen, wo man seine Landsleute sitzen hat«, lachte Hochgräbe.
»Oje, da bin ich aber keine repräsentative Vertreterin, befürchte ich. Ist lange her.«
»Das macht nichts«, schloss Hochgräbe. »Im Gegenteil«, fügte er schelmisch hinzu. »Wann immer Sie mal nach München kommen, rufen Sie mich an. Ich werde Ihnen dann die schönsten Winkel der Stadt in Erinnerung rufen.«
»Ähm, danke, ich überleg’s mir«, sagte Julia, etwas überrumpelt. Für einige Minuten ließ sie ihre Gedanken treiben, dachte an ihren Heimatort, an ihren Vater, an Doris und an Berger und an all die Dinge, die noch zu erledigen waren. Aber immer wieder kehrten ihre Gedanken nach München zurück, und es fühlte sich auf eine angenehme Weise richtig an, Hochgräbes Angebot anzunehmen. Ich werde ihn anrufen, entschied Julia und widmete sich dann wieder ihrem Arbeitsplatz.
Irgendwann war Frank Hellmer aufgetaucht, er erzählte ihr, dass er sich lustlos durch einige Berichtsformulare getippt hatte. Es ging ihm also offenbar ähnlich, zu viel im Kopf und auf der Seele, aber immerhin hatte er eine Familie, die auf ihn wartete. Julia hingegen hatte all ihre Hoffnungen auf Alina Cornelius gesetzt, nach der sie sich für einen kurzen, aber innigen Moment ganz unwahrscheinlich gesehnt hatte. Diese befand sich jedoch auf einem spontanen Urlaubstrip – warum auch nicht, immerhin war Hauptreisezeit. Der »geistliche Beistand«, wie Hellmer im Scherz die Telefonate mit ihrem Paps einmal genannt hatte, war auf den nächsten Vormittag verschoben, denn heute Abend galt es, irgendwo eine Andacht zu halten, vertretungsweise, wie so oft. Und Susanne Tomlin, das hatte die Kommissarin sich ganz fest vorgenommen, sollte ihr nicht als Seelenmülleimer dienen. Susanne hatte sie für ein ganzes Jahr beherbergt, ihr Tag und Nacht zur Seite gestanden und als Krönung noch eine Wohnung geschenkt. Das genügte für ein Dutzend Freundschaften, so zumindest fand Julia, und sie würde geduldig warten, bis Alina wieder im Lande war.
Für heute
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