Todesnacht: Island-Thriller (German Edition)
Aufschrift zurück. Unwirsch hielt er Ísrún den Zettel hin und sagte: »Nehmen Sie das und auf Wiedersehen.«
»Wissen Sie sonst noch was über Elías? Etwas, das mir weiterhelfen könnte?«
»Verdammt nochmal, ich kannte den Mann überhaupt nicht«, sagte Ríkharður erzürnt. »Dieser Idiot, sich auf meinem Grundstück umbringen zu lassen! Soweit ich weiß, hat er sich für wohltätige Zwecke engagiert, irgendein Konzert in Akureyri organisiert. Mehr weiß ich auch nicht. Und jetzt verschwinden Sie, sonst rufe ich die Polizei!«
»Danke für Ihre Hilfe.« Sie ging ins Treppenhaus und lächelte Ríkharður freundlich an.
Der knallte sofort die Tür hinter ihr zu.
Ísrún nahm den Aufzug nach unten, ging zum Auto und machte sich auf den Weg in den Norden.
Dalvík war ihr erstes Ziel.
18 . Kapitel
»Du hältst dich wohl für was Besseres?«, sagte Hlynur, als Ari eine Schachtel mit der Aufschrift
Weihnachtstee
öffnete, ein paar Teeblätter in ein Sieb gab und es in kochendes Wasser tauchte.
»Du weißt eben Gutes nicht zu schätzen«, erwiderte Ari. »Trinkst den ganzen Tag diese Plörre, die ihr Kaffee nennt.«
»Und bei dir ist immer noch Weihnachten, oder was?«
Ari grinste, antwortete aber nicht und ging aus der Kaffeestube.
Hlynur blieb alleine zurück. Er konnte Aris überhebliches Grinsen nicht ausstehen.
Eifersucht kochte in ihm hoch. Wut. Doch seine Wut hätte sich vielleicht eher auf Tómas richten sollen.
Der hatte Ari gebeten, die Ermittlungen zu leiten. Für Hlynur blieb nur der Kleinkram übrig. Wollte Tómas Ari auf größere Aufgaben vorbereiten? Auf die zukünftige Position des Polizeiwachtmeisters? Hlynur war älter und erfahrener und hätte Vorrang haben müssen.
Natürlich wusste er, dass er aus diesem verdammten Teufelskreis aus Frust und Selbstmitleid herauskommen musste, aber das war leichter gesagt, als getan. Er dachte nur noch an diese verfluchten E-Mails und bekam sie einfach nicht mehr aus dem Kopf. Und jetzt hatte Tómas ihn bei diesem wichtigen Fall übergangen. Der größte Fall der letzten Jahre. Diese Tatsache machte ihn nur noch depressiver.
War er zu allem Überfluss auch noch ein schlechter Polizist?
Würde er jemals wieder Fuß fassen?
Als er erwachsen war, hatte Hlynur mit allen seinen früheren Mobbingopfern Kontakt aufgenommen und sich entschuldigt. Manche nahmen es gut auf, andere nicht. Gauti war der Einzige, den Hlynur nicht kontaktiert hatte. Aber er war in der Zeitung auf seinen Namen gestoßen – bei den Nachrufen.
Es war offensichtlich, dass Gauti sich umgebracht hatte. Hlynur war sich sicher, dass sein Selbstmord eine Folge des Mobbings war, ob direkt oder indirekt. Er hatte also einen ehemaligen Schulkameraden durch sein Mobbing getötet und anderen ernsthaften Schaden zugefügt.
Manchmal wurde Hlynur auch wütend und verzweifelt, wenn er die unheimlichen E-Mails las.
Als Nächstes zeige ich dir, wie man stirbt.
Wer wagte es, ihm so etwas zu schicken? Jemand, den er kannte? Vielleicht sogar jemand aus Siglufjörður? Beobachtete ihn der Absender womöglich, verfolgte er ihn auf dem Weg zur Arbeit und nach Hause? An manchen Tagen wurde er von Verzweiflung überwältigt.
Er war der Sache immer noch nicht nachgegangen, hatte nicht überprüft, wer von Gautis Freunden oder Verwandten ihm die Mails hätte schicken können. Das spielte vielleicht auch keine große Rolle. Die Botschaft war angekommen und hatte volle Berechtigung.
Vielleicht musste man ihm
wirklich
zeigen, wie man stirbt.
Am Morgen hatte er einen Anruf von seiner Freundin aus Sauðárkrókur bekommen.
Er wusste genau, worüber sie mit ihm sprechen wollte.
Über den nächsten Schritt in ihrer Beziehung. Er mochte sie wirklich und wäre unter normalen Umständen gespannt über ihre Vorschläge gewesen.
Aber er war nicht ans Telefon gegangen.
Ari trank seinen Weihnachtstee. Wobei der wie jeder andere Tee schmeckte und kein besonderes Weihnachtsaroma hatte. Er wusste auch gar nicht, wie Weihnachten schmecken sollte und hatte nie darüber nachgedacht. Er erinnerte sich, dass seine verstorbene Mutter erzählt hatte, dass es an Weihnachten, als sie ein kleines Mädchen war, nach Äpfeln gerochen habe. Auch das hatte Ari nie verstanden; er fand, dass Äpfel keinen besonderen Geruch hatten.
Mit der bisherigen Abwicklung des Falls war Ari ganz zufrieden, und er wollte unbedingt seinen Mann stehen.
Als sie erfuhren, dass das Haus, bei dem die Leiche gefunden worden war, dem
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