Todesqual: Thriller
Überstunden schiebst.«
Er lachte auf. »Vermutlich wäre sie mit einem Schreibtischtäter glücklicher. Aber sie wird sich schon wieder beruhigen. Das hat sie bis jetzt immer. Eine Nacht mit einem Banker, und sie würde Schreikrämpfe kriegen.« Sein Blick wanderte zur Uhr. »Am besten schleppe ich meinen Hintern jetzt nach Hause.«
Lena griff nach ihrem Aktenkoffer und stieg aus. Sie sah zu, wie er den Wagen wendete. Während seine Rücklichter in der Nacht verschwanden, entdeckte sie die Strafzettel hinter ihrem Scheibenwischer. Es waren drei Stück, ordentlich aufeinandergestapelt. Sie unterdrückte das Bedürfnis, sie zu zerreißen, stopfte sie in ihren Aktenkoffer und warf einen Blick auf das Mordhaus. Sie konnte es kaum erkennen und wollte sich schon abwenden, als sie das Licht zwischen den Bäumen erkannte.
Es war ein Lichtstrahl, der durch die Wipfel strich und dann im Garten verschwand. Die Augen auf das Blätterdach gerichtet, fragte sie sich, ob der Lichtstrahl vielleicht von Sánchez’ Wagen kam, der gerade um die Kurve bog und auf der anderen Seite des Rustic Canyon den Hügel hinunterfuhr. Doch als der Strahl wieder erschien, war er zu kurz und wackelig, um von einem Auto zu stammen.
Jemand war auf dem Grundstück.
Lena öffnete den Kofferraum, legte den Aktenkoffer hinein und holte eine Taschenlampe heraus. Ohne sie einzuschalten, hastete sie die Straße hinunter, blieb vor dem Haus stehen und lauschte. Sie hörte das Pochen ihres Herzens und das Rauschen des Baches hinter ihr – aber sonst nichts. Von dem Haus schlug ihr nur Stille entgegen. Dazu der Anblick des schwankenden Lichts über ihrem Kopf.
Lena duckte sich unter dem Absperrband durch und ging die Auffahrt entlang in den Garten.
Schritt für Schritt pirschte sie sich weiter. Im Nebel betrug die Sichtweite schätzungsweise knapp zwanzig Meter. Im Garten angekommen, hörte sie unverständliches Gemurmel und spähte um die Ecke.
Jemand stand an der Terrassentür und machte sich am Schloss zu schaffen. Das Licht, das sie gesehen hatte, rührte von einer Taschenlampe her, die in der Armbeuge der Gestalt klemmte.
Lena zog die Pistole aus dem Halfter und trat um die Hausecke. Während sie sich weiter die Mauer entlangtastete, ließ sie die Gestalt nicht aus den Augen. Inzwischen konnte sie sie deutlicher erkennen. Es war ein Mann. Er hatte ihr den Rücken zugewandt. Ein großer Mann mit braunem Haar, der ein zerknittertes weißes Hemd trug.
Der Mann war Brant, und er mühte sich mit seinem Schlüssel ab. Offenbar benutzte er die Tür nicht oft, denn er konnte den richtigen nicht finden.
Kurz vor der Terrasse blieb Lena stehen. Ihre Taschenlampe war sehr stark und verbreitete ein beinahe taghelles Licht. Lena richtete sie auf den Mann und schaltete sie ein, worauf Brant vor Schreck einen Satz machte. Er fuhr herum, hielt sich schützend die Hände vors Gesicht und begann zu zittern.
»Wer ist da?«, rief er mit sich überschlagender Stimme. »Wer ist da?«
»Was wollen Sie hier, Mr. Brant?«
Er erkannte ihre Stimme. »Sie sind das?«, schrie er. »Was zum Teufel haben Sie hier zu suchen?«
»Sie haben meine Frage ganz genau verstanden«, entgegnete Lena. »Und jetzt verlange ich eine Antwort.«
Sie stellte fest, dass er bemüht durch den Lichtstrahl spähte. Nach einer Weile bemerkte er die Waffe in ihrer rechten Hand. Eine schwarze Halbautomatik Kaliber.45, die nur knapp siebenhundertfünfzig Gramm wog, aber vollständig geladen zehn Patronen fasste.
»Warum zielen Sie mit dem Ding auf mich?«
»Das hier ist ein Tatort«, erwiderte sie. »Oder könnte es Ihnen entgangen sein, dass das Haus noch immer versiegelt ist? Haben Sie vielleicht den Grund vergessen? Aber eigentlich ist mir das scheißegal.«
Als er einen Schritt auf sie zumachte, hielt Lena die Mündung ihrer Waffe ins Licht, damit er sie besser sehen konnte. Sie wünschte, sie hätte nicht solches Herzklopfen gehabt.
»Ganz ruhig, Mr. Brant. Ich bin sicher, dass Sie keinen Ärger wollen.«
Er wich zurück und ließ die Hände sinken. »Das ist nicht notwendig. Völlig verrückt ist das. Stecken Sie endlich das Ding weg.«
»Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet«, beharrte Lena. »Ich kann nicht Gedanken lesen, und deshalb weiß ich nicht, warum Sie hier sind und was Sie vorhaben. Nur in einem bin ich mir absolut sicher.«
»Und das wäre?«
»Wenn heute Abend hier etwas passiert, zum Beispiel, dass Sie sich auf mich stürzen oder rein zufällig stolpern,
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