Dienstanweisungen für einen Unterteufel
VORWORT
Ich habe nicht vor, zu erklären, wie der Briefwechsel, den ich hier veröffentliche, in meine Hände geraten ist.
Es gibt zwei Irrtümer über die Teufel, in die das Menschengeschlecht leicht verfällt. Sie widersprechen sich und haben doch dieselbe Auswirkung. Der eine ist, ihre Existenz überhaupt zu leugnen. Der andere besteht darin, an sie zu glauben und sich in übermäßiger und ungesunder Weise mit ihnen zu beschäftigen. Die Teufel selbst freuen sich über beide Irrtümer gleichmäßig. Sie begrüßen den Materialisten wie den Anhänger der schwarzen Magie mit demselben Vergnügen. Texte, wie sie hier verwendet werden, kann sich jeder sehr leicht verschaffen, der weiß, wie man das anzustellen hat; übelgesinnte oder leicht erregbare Menschen, die nur schlechten Gebrauch davon machen würden, sollen die Methode jedoch nicht von mir erfahren.
Der Leser möge nicht vergessen, daß der Teufel ein Lügner ist. Nicht alles, was Screwtape zu sagen hat, soll und darf als bare Münze genommen werden, nicht einmal von seinem eigenen Standpunkt aus. Ich habe nicht versucht, irgendein menschliches Wesen, das in diesen Briefen genannt wird, zu identifizieren; aber ich halte es für sehr unwahrscheinlich, daß das Bild, sagen wir von Fr. Spike oder des Patienten Mutter, in allen Stücken richtig gezeichnet ist. Wunschdenken gibt es in der Hölle ebenso wie auf Erden.
Noch eines muß ich beifügen: Es wurde kein Versuch gemacht, die Chronologie der Briefe irgendwie zu bereinigen. Nummer XVIII scheint geschrieben worden zu sein, ehe die Lebensmittelrationierung ernsthaftere Formen annahm. Im allgemeinen scheint aber die diabolische Zeitbezeichnung keine Beziehung zur irdischen Zeitrechnung zu haben, und ich habe nicht versucht, sie wiederzugeben. Offensichtlich hat Screwtape die Geschichte des europäischen Krieges nur insofern interessiert, als das Kriegsgeschehen den geistlichen Zustand eines einzigen menschlichen Wesens dann und wann beeinflußte.
C. S. LEWIS
Magdalen College, Oxford, 5. Juli 1941
I
Mein lieber Wormwood,
Ich habe zur Kenntnis genommen, daß Du Deinen Patienten in der Wahl seiner Lektüre beeinflußt und dafür sorgst, daß er sich sehr oft in der Gesellschaft seines materialistisch gesinnten Freundes aufhält. Aber bist Du nicht ein wenig naiv? Es hört sich an, als glaubtest Du, Dein Patient könne dem Zugriff des Feindes durch Vernunftgründe entzogen werden. Dies wäre wohl möglich gewesen, wenn er einige Jahrhunderte früher gelebt hätte. Damals wußten die Menschen noch ziemlich genau, wann etwas bewiesen war und wann nicht, und was bewiesen war, glaubten sie auch wirklich. Für sie bestand noch ein Zusammenhang zwischen Denken und Handeln, und sie änderten ihr Leben, wenn ihre Überzeugung das gebot. Aber durch die Presse, die Zeitungen und andere ähnliche Waffen war es uns möglich, das alles gründlich zu ändern. Dein Mann hat sich von Kindheit an daran gewöhnt, daß mindestens ein Dutzend widerstreitender Philosophien in seinem Hirn herumtanzen. Diese Lehren sind für ihn nicht „wahr“ oder „falsch“, sondern „akademisch“ oder „praktisch“, „abgedroschen“ oder „zeitgemäß“, „konventionell“ oder „unbarmherzig“. Nicht Vernunftgründe, sondern Schlagworte sind Deine besten Helfer, Deinen Mann der Kirche fernzuhalten. Vergeude keine Zeit damit, in ihm den Gedanken zu festigen, daß der Materialismus wahr ist! Lasse ihn zu dem Schluß kommen, Materialismus sei umfassend oder mutig – er sei die Philosophie der Zukunft. Solche Dinge sind ihm wichtig!
Das Beunruhigende des Argumentierens ist, daß es den ganzen Kampf auf den vom Feinde beherrschten Boden verschiebt. Auch Er ist imstande, vernünftig zu argumentieren, währenddem Er sich in der Propaganda, die auf das wirklich Praktische im Leben gerichtet ist – wie ich sie anrege –, seit Jahrhunderten Unserem-Vater-in-der-Tiefe weit unterlegen gezeigt hat. Durch das Argumentieren aber weckst Du die Vernunft Deines Patienten und wenn die einmal erwacht ist, wer kann dann die Folgen absehen? Wenn es auch gelingen mag, einen Gedankengang so zu verdrehen, daß er zu unsern Gunsten ausläuft, so wirst Du doch bald entdecken, daß Du in Deinem Patienten den unseligen Zug bestärkt hast, seine Aufmerksamkeit allgemeingültigen Erkenntnissen zuzuwenden und sie dafür von dem Strom unmittelbarer sinnlicher Erfahrungen abzulenken. Deine Aufgabe aber besteht darin, seine Aufmerksamkeit an diesen Strom
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