Todesqual: Thriller
hat offenbar geredet.«
Sie nickte. »Ja, hat er. Er hat mir alles erzählt.«
Rhodes grinste. »Seit wir wussten, wer unsere Unbekannte war, habe ich dieselben Schlüsse daraus gezogen wie du. Es war der Beweis dafür, dass jemand den Tatort manipuliert hatte. Holt hätte sich doch nicht wegen eines wildfremden Mädchens umgebracht. Und wenn ich und du darauf kommen konnten, würde der Täter sicher auch nicht lange brauchen. Romeo konnte dieses Verbrechen nicht begangen haben. Ich wollte nur ein bisschen Zeit gewinnen, damit du es nicht so schnell erfährst. Du solltest nicht in die Sache hineingezogen werden. Ich habe sogar versucht, dich von dem Fall entbinden zu lassen. Allerdings wusste ich, dass das wegen deines Bruders unmöglich war. Du hättest nicht lockergelassen. Aber es war einen Versuch wert.«
»Was ist mit der Mordakte meines Bruders? Deine Aussage fehlt.«
»Welche Aussage?«
»Bernhardt hat mir erzählt, du seist dort gewesen.«
»Nur am frühen Abend. Ich habe ein Bier mit deinem Bruder getrunken und bin gegangen, bevor der Laden aufgemacht hat. Bis heute habe ich deshalb ein schlechtes Gewissen. Martin und Drabyak habe ich gesagt, dass ich dort war. Doch vermutlich hielten sie es nicht für wichtig genug, um es aufzuschreiben. Das wollte ich dir erzählen, als du im Parkhaus vor mir davongelaufen bist. Bernhard hat mir euer Gespräch geschildert, und ich wollte es nicht auf sich beruhen lassen, sondern dir alles erklären.«
Lena dachte an die Zigarettenkippen im Blumenkübel. Als sie Rhodes musterte, ging ihr erneut ein Licht auf. Sie erinnerte sich an die Nacht, als Martin Fellows sie angegriffen hatte. Seinen Gesichtsausdruck, als er Rhodes am Pool bemerkte. Fellows hatte ihr Haus beobachtet und wusste etwas, von dem sie nichts ahnte: Nicht Fellows hatte im Liegestuhl übernachtet, sondern Rhodes, der rund um die Uhr Wache geschoben hatte, bis sein Körper streikte. Und das machte ihn zu genau dem Zeugen, den Fellows sich wünschte.
Eine Pause entstand. Die Stimmung beruhigte sich.
Rhodes stand auf und ging zur Tür. Lena folgte ihm die Treppe hinunter und hinaus auf die Straße. Der Himmel hatte sich verdunkelt. Die Stadt versank in einer Wolkendecke. In der Ferne hörte sie die tief fliegenden C-130, die knapp an der Überziehgeschwindigkeit dahinflogen und ihre Ladung aus Löschmitteln über den Hügeln abwarfen. Als Lena sich umdrehte, stellte sie fest, dass Rhodes sie ansah. Der Blick ähnelte sehr dem von vorletzter Nacht. Sofort wusste sie, dass er sie begehrte, aber der Zeitpunkt war wieder falsch gewählt. Was auch immer geschehen mochte, heute war nicht der Tag dafür.
Er stieg ins Auto, kurbelte das Fenster herunter, lächelte traurig und sah sie wieder an.
»Die Nachricht wird einschlagen wie eine Bombe«, meinte er. »Und dabei sollte er doch ein Staatsbegräbnis bekommen. Ein guter Polizist, der im Dienst sein Leben lassen musste.«
»Glaubst du, wir können ihnen die Beweismittel anvertrauen?«
»Du stehst nicht mehr allein«, erwiderte er. »Wir sind jetzt zu zweit.«
»Ich mache Kopien und fahre dann ins Labor.«
»Und ich spreche mit Barrera und informiere ihn über den Stand der Dinge. Dann rufe ich dich mobil an.«
Er winkte ihr zu und fuhr davon. Lena blickte dem Auto nach, bis es im Dunst verschwunden war.
Wir sind jetzt zu zweit.
Sie wollte nicht länger darüber nachdenken, denn sie wusste, dass sie beide nicht ungeschoren davonkommen würden. Lena war die Unglücksbotin, während man Rhodes dafür zur Rechenschaft ziehen würde, dass er Holts Tod offiziell als Selbstmord behandelt und den neuen Polizeipräsidenten vor der Presse blamiert hatte.
Als sie sich zu dem Haus umdrehte, in dem Novak gewohnt hatte, lief der Mord an ihrem Bruder vor ihr ab wie ein Film. Sie sah Novak, wie er seiner sechzehnjährigen Tochter zum Haus folgte. Wie ihm eine Sicherung durchbrannte, als er sie im Bett mit David beobachtete. Wie er in seiner Aufgebrachtheit geschossen, dann alle Spuren beseitigt und die Leiche zu guter Letzt weggeworfen hatte wie Müll.
Sie sah, wie ihr Bruder bis zum Schluss versuchte durchzuhalten. Und wie Novak noch einen zweiten Schuss in den leeren Wagen abgefeuert und Schmauchspuren am Tatort verteilt hatte.
Lena dachte an Enttäuschungen und Partnerschaften und daran, was die Wahrheit in einer Seele anrichten konnte. Als sie in den Abgrund blickte, wurde ihr klar, dass sie es in gewisser Hinsicht überstanden hatte. Sie hatte den Fall
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