Todesspiel
Cotton die Stirn runzeln ließen. Sieht chinesisch aus , dachte er. Oder japanisch.
High verzichtete auf jede Vorrede. Deckers Frage hatte er schlichtweg ignoriert, und jetzt kam er ohne Umschweife zur Sache.
»Das sind Aufnahmen, die bei Strawberry Fields vor den Dakota Apartments im Central Park aufgenommen und live von einem Kabelkanal für koreanische Einwanderer gesendet wurden.«
Wenn in New York von Asiaten die Rede war, dachte man immer zuerst an Chinesen oder Japaner. Dabei stammte ein erheblicher Teil der Bewohner des Chinatown-Viertels in Manhattan aus Korea oder Vietnam. In ganz New York gab es ungefähr einhunderttausend Koreaner. Genug, um sie mit einem eigenen TV-Kanal zu unterhalten.
Eine koreanische Reporterin hielt einem jungen Landsmann ein Mikro unter die Nase und unterhielt sich mit ihm in ihre Muttersprache.
»Interessantes Gespräch«, frotzelte Cotton.
»Ich hatte nicht erwartet, dass Sie Koreanisch können, Agent Cotton«, sagte Mr High streng. »Der Interviewte ist Park Dae-Young, ein Star der koreanischen E-Sport-Liga. Er gehört zu einem Starteam, das zur Games Convention hier in New Rochelle eingeflogen wurde.«
»Soviel ich weiß, sind Proficomputerspieler in Korea Superstars, so wie bei uns Football- oder Baseballspieler«, warf Cotton ein.
»Stimmt.« Mr High nickte. »Man spielt dort in Mannschaften, sogenannten Clans. Die Rechner werden verlinkt, und das Ganze wird über Riesenleinwände übertragen. Ich persönlich halte Computerspiele für Zeitverschwendung und kann mir auch nicht vorstellen, was interessant daran sein kann, anderen bei diesen Spielen zuzuschauen. Aber es gibt offenbar auch hierzulande genug Leute, die Interesse daran haben, um die große Eisenhower Hall in New Rochelle damit zu füllen. Und jetzt schauen Sie bitte hin.«
Cotton und Decker blickten auf den Schirm. Sie sahen, wie Parks Körper zuckte, als sich auf seiner Stirn ein Einschussloch bildete. Sekundenbruchteile später zückten die Bodyguards ihre Waffen und ließen gehetzt die Blicke schweifen.
Die Kamera machte einen wirren Schwenk.
Von da an sah man nichts mehr.
»Wie Sie sich denken können, hat Park diesen Anschlag nicht überlebt«, erklärte Mr High. »Das Ganze passierte gestern. Inzwischen haben wir das Ergebnis der ballistischen Untersuchung.«
»Und?«, fragte Decker.
High schaltete den Bildschirm aus, ging zu seinem Schreibtisch, ergriff eine Mappe und reichte sie Decker. »Ich habe die Daten an Sie beide weitergeleitet. Sie sind also nicht auf die Papierversion angewiesen.«
Decker schaute in die Mappe und furchte die Stirn.
»Es gibt offenbar einen Zusammenhang mit dem organisierten Verbrechen«, stellte sie fest.
»Was hat die Daddelei in New Rochelle mit dem organisierten Verbrechen zu tun?«, wunderte sich Cotton. »Geht es um Wettbetrug?«
»Sie haben es erfasst, Agent Cotton«, sagte Mr High. »In fast jedem Sport gibt es Wetten, Wettbetrug und alles, was damit zusammenhängt.«
Decker hatte inzwischen die Ergebnisse der ballistischen Tests überflogen. »Hier steht, dass die Tatwaffe bereits bei mehreren Schießereien in Chinatown benutzt wurde«, sagte sie.
»Richtig«, bestätigte Mr High. »Womit wir beim Kern der Sache sind. Dass Chinatown eine Hochburg der Triaden und der Wettmafia ist, brauche ich Ihnen ja nicht zu sagen. Park und sein Team waren die Favoriten für das Turnier in New Rochelle. Agent Zeerookah überprüft bereits, ob jemand große Summen gegen Park und seine Mitstreiter gesetzt hat, sodass er jetzt einen Riesengewinn einstreichen kann.«
»Ich gehe jede Wette ein, dass es sich um Wettbetrug handelt, Sir«, konnte sich Cotton einen Kommentar nicht verkneifen.
Mr High fuhr sich mit der Hand übers Gesicht.
Wenn er die Nacht mal wieder durchgearbeitet hat, sieht man ihm erstaunlich wenig davon an , ging es Cotton durch den Kopf.
»Das wird sich zeigen«, sagte Mr High. »Es gibt aber noch einen weiteren Grund, weshalb das G-Team sich mit dem Fall beschäftigen muss.«
»Sagen Sie jetzt nicht, ein Anruf des Präsidenten«, meinte Cotton.
Die Blicke, die John D. High und Decker ihm gleichzeitig zuwarfen, zeigten Cotton, dass er besser den Mund gehalten hätte.
»Ich dachte immer, Sie hätten nur einen guten Instinkt, Cotton«, sagte Mr High. »Aber anscheinend können Sie auch hellsehen.«
»Heißt das, er hat recht?«, fragte Decker irritiert.
»Ich erwähnte ja schon, was für einen hohen Status diese Profigamer in Südkorea besitzen.
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