Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesspiel

Todesspiel

Titel: Todesspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R.Scott Reiss
Vom Netzwerk:
geschmolzenen Eiswürfeln in ihrer zitternden Hand. Rubens erinnerte sich, wie sie bei offiziellen Anlässen stolz neben ihrem Mann gestanden hatte, aber jetzt war sie nur eine magere Frau in mittleren Jahren, die ihren pinkfarbenen Frotteebademantel enger um sich zog.
    Leicht lallend fragte sie: »Kennen Sie Jogo do Bicho, das Tierlotto?«
    Sie war bis eben damit beschäftigt gewesen, wie er an den kleinen Tierfotos erkannte, die auf dem Tisch lagen. Es handelte sich um die beliebteste illegale Zahlenwette Brasiliens. Bestimmten Tieren wurden Zahlenfolgen zugeordnet. Eins, zwei, drei war ein Jaguar. Neun bis zwölf ein Affe. Man wettete jeweils auf eine Kombination aus fünf Ziffern. Die Gewinnchancen waren verschwindend gering, aber wenn man Glück hatte, war die Gewinnsumme gigantisch.
    »Ich spiele nicht«, sagte er. Er wollte, dass sie sich in Bewegung setzte, und zwar möglichst schnell.
    »Dann sind Sie klüger als mein Mann.«
    Als Polizist hatte Rubens schon viele Formen der Trauer erlebt, und ihre Wut war ihm nicht fremd.
    Sie sagte: »Ich habe ihm geraten: ›Spiel mit. Das sind Global Player. Du kannst sie nicht aufhalten.‹«
    »Wer sind sie?«, fragte Rubens sanft. »Ich werde sie verhaften.«
    Anstatt ihm zu antworten, lutschte sie einen Eiswürfel. »Mein Mann hat mich gefragt: ›Wie kannst du von mir verlangen, dass ich nichts unternehme? So viele Menschen werden leiden.‹«
    »Es geht also um Drogen?«, fragte Rubens.
    Sie lachte leise, als sei die Vorstellung originell, amüsant, falsch.
    Dann stieß sie aus Versehen die Schnapsflasche um. Als der Cachaça sich über ihre Füße ergoss, brach sie in Tränen aus.
    In der Residenz war die Klimaanlage so hoch eingestellt, dass eine Eiseskälte herrschte. Überall standen Kakteen in Töpfen, und die Wände waren dekoriert mit Blasrohren und Fischspeeren, Waffen, die der Gouverneur erforscht hatte, als er noch Professor gewesen war. Waffen, mit denen er sich am Ende nicht hatte verteidigen können.
    »Ich habe Ihrem Mann versprochen, Sie ins erste Flugzeug zu setzen, das rausgeht«, sagte Rubens.
    »Sie sind der Polizist, von dem er mir erzählt hat. Der Mann, dem er vertraut hat. Das hat er mir letztes Jahr gesagt, als während des Prozesses gegen den Kautschukzapfer die Beweismittel verschwanden – der, von dem es hieß, man hätte ihm den Bankraub angehängt. Mein Mann glaubte, Sie hätten die Beweise verschwinden lassen.«
    »Nein, das war ich nicht«, log Rubens.
    »Er hat gesagt, Sie würden gegen Gesetze verstoßen, um Menschen zu helfen.«
    »Das stimmt nicht.«
    Plötzlich begann sie zu wehklagen. »Warum hat er nicht wenigstens so getan, als ob!«
    »Bitte, kommen Sie jetzt mit.«
    »Pff! Antonio hat nie begriffen, was Gefahr wirklich bedeutet. Mir werden diese Leute nichts antun. Ich bin reich. Mein Vater ist ein bedeutender Mann. Ich werde nichts ausplaudern. Aber Sie …«, fügte sie hinzu, während sie mit einem rotlackierten Fingernagel auf Rubens zeigte. »Bei Ihnen ist das etwas anderes. Sie sind ein ganz kleines Licht. Es gibt keinen Ort in diesem Land, wo die Sie nicht finden werden. Mir ist klar, dass mein Mann Ihnen nichts erzählt hat, aber das wissen die nicht. Aber dass Sie jetzt hier bei mir sind, das wissen sie, glauben Sie mir.«
    Blankes Entsetzen packte ihn, als ihm bewusst wurde, wie blind er gewesen war. Er hatte sich nur auf den Gouverneur konzentriert, hatte den Bandeirante vor seinem Haus stehen lassen, um den Eindruck zu erwecken, er sei zu Hause. Seine Verpflichtung dem Gouverneur gegenüber war vorbei, dachte er, während er die Scheine in seiner Tasche befühlte. Das Geld gehörte jetzt seiner Familie.
    Meine Familie! Er rannte nach draußen, um ein Taxi anzuhalten, und ließ die Frau allein weiterschluchzen. Eine schreckliche Angst, zu spät zu kommen, erfüllte ihn. Er schrie den Fahrer an, er solle Gas geben. Der Wagen wurde durchgeschüttelt, als sie die asphaltierte Straße, an der die Residenz lag, verließen und über die von Schlaglöchern übersäte Piste der Slums rasten. Neue Straßen verliefen kreuz und quer in alle Richtungen, als wäre die Geographie durcheinandergeraten. In einiger Entfernung bemerkte er einen rötlichen Schimmer am Himmel.
    Nein!
    Es war unmöglich. Rosa war sein Fels in der Brandung. Rosa und er wollten zusammen alt werden. Sie wollte hinter dem Haus einen kleinen Gemüsegarten anlegen. Sie wollte Estrella über Sexualität aufklären, mit ihr über Gesundheit, Schutz und Liebe

Weitere Kostenlose Bücher