Vampire, Scones und Edmund Herondale: Die Chroniken des Magnus Bane (03) (German Edition)
LONDON,
1857
Seit den unerfreulichen Ereignissen während der Französischen Revolution hegte Magnus eine leise Abneigung gegen Vampire. Ärgerlicherweise töteten sie einem gern die Dienstboten und stellten zudem eine Gefahr für kleine Hausäffchen dar. Der Pariser Vampirclan sandte Magnus noch immer äußerst unhöfliche Botschaften bezüglich ihres kleinen Missverständnisses zu. Vampire waren nachtragender als alle anderen – im weitesten Sinne – lebenden Wesen und wann immer sie schlechte Laune hatten, brachten sie dies gerne durch den einen oder anderen Mord zum Ausdruck. Magnus bevorzugte daher etwas weniger blutrünstige Gefährten.
Darüber hinaus begingen Vampire gelegentlich Verbrechen, die noch viel schlimmer waren als Mord: Sie verstießen gegen die Gesetze der Mode. Wenn man unsterblich war, konnte es schon mal passieren, dass man nicht mitbekam, wie die Zeit an einem vorüberflog. Das zählte jedoch nicht als Entschuldigung für eine Haube, die zuletzt zu Zeiten Napoleons I. modern gewesen war.
Doch allmählich bekam Magnus das Gefühl, dass es vielleicht einen Hauch voreilig gewesen war,
alle
Vampire über einen Kamm zu scheren.
Lady Camille Belcourt war eine überaus bezaubernde Person. Noch dazu war sie modisch auf dem absolut neuesten Stand. Ihr Kleid lief in einem entzückenden Reifrock aus und die Art und Weise, wie sich der blaue Taft in sieben schmalen Volants über ihren Stuhl ergoss, verlieh ihr den Anschein, als steige sie aus glitzerndem Wasser hervor. Ihr Busen, so blass und sanft gerundet wie zwei Perlen an einer Kette, wurde von nicht allzu viel Stoff verborgen. Die perfekte Blässe ihres wohlgeformten Dekolletés und ihres marmorgleichen Halses wurde nur von einer schwarzen Samtschleife und den dichten glänzenden Löckchen durchbrochen, die sich um das Gesicht ringelten. Eine goldene Locke reichte bis auf das filigran geschwungene Schlüsselbein hinab und lenkte Magnus’ Blick damit erneut auf –
Nun ja, viele Wege führten zu Lady Camilles Busen.
Es war ein ganz vorzügliches Kleid. Und ein ebenso vorzüglicher Busen.
Lady Camille, die nicht nur wunderschön war, sondern auch eine aufmerksame Beobachterin, bemerkte Magnus’ Blick und lächelte.
»Das Wundervolle daran, ein Kind der Nacht zu sein«, vertraute sie ihm mit leiser Stimme an, »ist, dass man nichts anderes als Abendkleider zu tragen braucht.«
»Das ist mir noch gar nicht in den Sinn gekommen«, antwortete Magnus verblüfft.
»Natürlich lege ich großen Wert auf Abwechslung, deshalb nutze ich jede Gelegenheit, mich umzukleiden. Im Laufe einer abenteuerreichen Nacht bieten sich einer Dame unzählige Möglichkeiten, sich ihrer Kleider zu entledigen.« Sie beugte sich vor und stützte einen ihrer blassen, samtigen Ellenbogen auf den Mahagonitisch der Schattenjäger. »Etwas sagt mir, dass Sie ein Mann sind, der sich auf abenteuerreiche Nächte versteht.«
»Verehrteste, mit mir wird jede Nacht zum Abenteuer. Bitte fahren Sie mit Ihrem Modevortrag fort«, drängte Magnus. »Das ist eines meiner liebsten Themen.«
Lady Camille lächelte.
Diskret senkte Magnus die Stimme. »Wenn Sie es wünschen, lausche ich auch gerne weiter Ihrem Vortrag übers Entkleiden. Das ist nämlich mein allerliebstes Thema.«
Sie saßen nebeneinander an einer langen Tafel im Londoner Schattenjägerinstitut. Der Konsul, ein farbloser Nephilim, leierte weiter die vielen Zauber herunter, für die ihnen die Hexenmeister in Zukunft einen Preisnachlass gewähren sollten. Dann zählte er auf, was man in Schattenjägerkreisen unter angemessenem Verhalten seitens der Vampire und Werwölfe verstand. Magnus hatte noch nicht ein Wort darüber vernommen, in welcher Form die Schattenweltler eigentlich von diesem »Abkommen« profitieren sollten. Sonnenklar war ihm dagegen, warum dieSchattenjäger so leidenschaftlich auf dessen Ratifizierung drängten.
Er bereute es bereits, der Einladung ins Londoner Institut gefolgt zu sein, nur damit die Schattenjäger seine kostbare Zeit verschwenden konnten. Der Konsul, dessen Name Irgendwas-mit-Morg lautete, schien sich nur allzu gern reden zu hören.
Nun ja, genau genommen hatte er gerade damit aufgehört.
Magnus wechselte von Camille zu dem weitaus unerfreulicheren Anblick des Konsuls, der ihn unverhohlen anstarrte – seine Missbilligung stand ihm so deutlich ins Gesicht geschrieben wie die Runen auf seiner Haut. »Wenn Sie und die … Vampirin das Flirten für einen Moment einstellen könnten«,
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