Der Fälscher aus dem Jenseits
Die Memoiren des Howard Hughes
Auf der Baleareninsel Ibiza lag William Marlow Anfang Dezember 1970 faul auf der Terrasse seiner Villa in der Sonne. Er war New Yorker, um die dreißig, halb Schriftsteller, halb Playboy, und genoss hier seinen wohlverdienten Urlaub. Bei MacGraw-Hill, dem größten Verlag Amerikas, vielleicht sogar der Welt, hatte er einen Roman veröffentlicht, der sich gut verkaufte, und nun genoss er die Mittelmeersonne und dachte darüber nach, was er jetzt anfangen sollte. Ein neues Buch? Dazu hatte er keine Lust. Literatur war nicht gerade seine Leidenschaft. Bücher machen nämlich eine Menge Arbeit. Oder sie müssen wirklich viel einbringen.
Ihm gegenüber lag seine fünfundzwanzigjährige Frau Edna, eine hübsche Brünette, die er erst vor kurzem geheiratet hatte, in eine Zeitschrift vertieft im Liegestuhl. Plötzlich hob sie den Kopf.
»Dieser Hughes ist ja ein toller Bursche! Schade, dass man nicht mehr über ihn weiß.«
Edna Marlow reichte William die Zeitschrift. Rasch überflog dieser den Artikel, der dem vielleicht seltsamsten Menschen des Jahrhunderts gewidmet war, dem Milliardär Howard Hughes. Einer der reichsten Männer der Welt. Ihm gehörten Flugzeugfabriken, Luftfahrtgesellschaften, Kasinos und Filmgesellschaften. Doch seit 1958 hatte er sich ganz von der Welt zurückgezogen. Er verkehrte mit niemandem außer seinen fünf Sekretären, denen er alle nötigen Anweisungen gab, um sein Reich zu lenken.
Der Verfasser des Artikels erzählte, dass er versucht habe, in seinen Zufluchtsort einzudringen, allerdings gescheitert sei, weil Hughes von einer echten Privatarmee verteidigt wurde. Illustriert war der Artikel mit dem jüngsten Foto des Milliardärs, das immerhin schon zwölf Jahre alt war, und der Abbildung eines handgeschriebenen Briefes mit seiner Unterschrift.
Auf einmal verfiel William Marlow ins Träumen. Howard Hughes war wirklich einzigartig. Er lebte, wollte jedoch nichts von der Welt wissen. Er konnte handeln wie jeder andere auch, weigerte sich aber, es zu tun. Wie würde er wohl reagieren, wenn es ein anderer an seiner Stelle täte und zum Beispiel seine Memoiren schriebe? Würde er dementieren, den Hochstapler entlarven? Nicht unbedingt, weil er jede Verbindung zu seinen Zeitgenossen gekappt hatte. Die Biografie von Howard Hughes wäre ein fabelhaftes Thema! Für so ein Buch würde jeder Verleger ein Vermögen zahlen. In William Marlows Kopf nahm schon ein ganzes Drehbuch Gestalt an. Der Milliardär würde einen Verleger natürlich nicht persönlich aufsuchen und seine verschiedenen Zufluchtsorte, in denen er sich seit zwölf Jahren versteckte, nie verlassen. Er würde sich einen Mittelsmann suchen, und dieser Mittelsmann wäre kein anderer als William Marlow. Eigentlich würde sich Howard Hughes nur schriftlich äußern. Das war sogar perfekt, weil die Zeitschrift so freundlich war, eine Schriftprobe von ihm mit Signatur zu liefern. William wandte sich an seine Gefährtin.
»Edna, ich hab jetzt den Titel für mein nächstes Buch: Die Memoiren von Howard Hughes.«
»Bist du verrückt?«
»Ganz und gar nicht. Ich kenne sogar schon den Anfang.«
Er zückte einen Kugelschreiber und nahm sich ein Blatt Papier. »Der Anfang besteht darin, seine Unterschrift nachzuahmen.«
In der winterlichen Sonne der Balearen begann William Marlow eifrig, den Namenszug von Howard Hughes nachzuziehen. Neben ihm auf dem Tisch lag ein Exemplar seines letzten Romans, der ihm ein hübsches Sümmchen eingebracht hatte, was aber gar nichts wäre im Vergleich zum nächsten. Sein Titel lautete — die Wirklichkeit ist oft besser als jeder Roman — Fälschung.
Ende Januar 1971. Braun gebrannt und entspannt stattete William Marlow seiner Lektorin bei MacGraw-Hill in New York einen kleinen Besuch ab.
»Hallo, Nancy!«
»Hallo, William! Wie ich sehe, haben Sie sich auf den Balearen erholt. Haben Sie etwas Schönes für uns in Planung? Einen neuen Roman?«
William Marlow bemühte sich um einen lässigen Ton: »Im Moment nicht. Ich hab einen netten Brief von Howard Hughes erhalten und das hat mich auf eine Idee gebracht.«
»Sie sind mit Howard Hughes befreundet?«
»Wundert Sie das?«
Die Lektorin schüttelte den Kopf. Nein, bei William Marlow durfte man sich über nichts wundern, nicht einmal über die unwahrscheinlichsten Dinge. Der Bursche war wahnsinnig dreist, unverschämt charmant und schaffte es, selbst in die geschlossensten, exklusivsten Kreise einzudringen.
»Bei
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