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Todesträume am Montparnasse

Titel: Todesträume am Montparnasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Grote
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seine Uhr. »Um neunzehn Uhr fünfundvierzig.« Er schaltete das Tonband ab.

21. KAPITEL
    Nach einer viertelstündigen Pause wurde die Vernehmung wieder aufgenommen. Dr. Clément hatte sich gefasst und schien in der Lage, ihr Geständnis fortzusetzen. LaBréas Angebot, ihr aus der Kantine etwas zu essen zu besorgen, hatte sie abgelehnt. Sie trank Mineralwasser und schilderte den Fortgang des Geschehens vom 20. Januar.
    Als Pascal Masson die Musik des Boléro erkannt hatte, geriet er in Panik. Doch er war gefesselt und geknebelt. Aller Widerstand war zwecklos. Nach Ende des Musikstückes holte Hélène das Skalpell aus ihrer Tasche. Masson, dessen Unterkörper schon die ganze Zeit entblößt gewesen war, ahnte offenbar, was Hélène vorhatte. Er zerrte an seinen Fesseln, wollte schreien. Doch sie hatte diesbezüglich ganze Arbeit geleistet.
    »Haben Sie irgendetwas zu ihm gesagt?«, fragte Claudine.
    »Ja. Nachdem der Ausschnitt aus dem Boléro verklungen war und ich das Skalpell in der Hand hielt, habe ich ihm gesagt: ›Das ist die Rache für Foča.‹ Und ich habe ihm gesagt, dass seinen Freund Vlankovic dasselbe Schicksal ereilen würde. Ich habe Bosnisch
mit ihm gesprochen. Natürlich konnte er wegen der Knebel nicht antworten, doch damals in Foča hat er unsere Sprache gut verstanden und gesprochen.«
    Sie unterbrach ihre Erzählung und sah die Anwesenden der Reihe nach an. Ihr Blick war fest und irgendwie auch entschlossen.
    »Dann ging alles sehr schnell. Als Ärztin weiß ich, wie man so etwas macht, auch wenn die Schnitte nicht so glatt verliefen, wie ich dachte.« Sie schwieg und trank einen Schluck Wasser. Leise fuhr sie fort. »Und glauben Sie ja nicht, dass es mir etwas ausgemacht hätte! Damals in Foča, da habe ich grauenvolle Dinge gesehen und am eigenen Leib erlebt. Die Hölle, wie nicht einmal Dante sie beschrieben hat. Als ich das Skalpell ansetzte, habe ich an meine Mutter gedacht …« Dr. Clément schluckte und atmete tief durch. In ihren Augen standen Tränen, aber sogleich verhärtete sich ihr Gesichtsausdruck wieder. »Doch das tut jetzt nichts zur Sache. Sie wollen mein Geständnis, hier ist es. Der Blonde war zunächst bei vollem Bewusstsein, ist aber sehr schnell in Ohnmacht gefallen. Ich habe ihm seine Teile auf die Brust gelegt, zusammen mit der Musikkassette, habe meine Sachen zusammengepackt und bin gegangen. In dieser Nacht konnte ich zum ersten Mal seit 1992 durchschlafen. Ich wachte kein einziges Mal auf und hatte keinen Albtraum. Das war für mich das Zeichen, dass ich mit Vlankovic weitermachen musste. Um mich endgültig von allem zu befreien.«

    »Sie töteten ihn in der darauffolgenden Nacht. Vierundzwanzig Stunden, nachdem Sie Pascal Masson kastriert und ermordet hatten.« Couperin trank einen Schluck aus seiner Kaffeetasse. In der Vernehmungspause hatte Claudine eine Kanne starken Kaffee besorgt. Alle bis auf Dr. Clément hatten sich bedient. »Wie ist es Ihnen gelungen, in seine Behausung über der Spinnerei zu gelangen?«
    Die Ärztin hatte sich einen Überraschungsangriff ausgedacht. Sie wollte ihr Äußeres so verändern, dass Vlankovic sie nicht gleich erkannte, und ihn nachts in der Spinnerei aufsuchen. Am schwierigsten war dabei für sie, ihre Angst zu unterdrücken. Ihm Auge in Auge zu begegnen, versetzte sie in ungeheure Panik. Doch der Gedanke, ihn endlich strafen zu können, gab ihr die notwendige Kraft.
    Dienstagnacht gegen elf Uhr ging sie zur Spinnerei. Es schneite. Sie nahm an, dass Vlankovic bei einem solchen Wetter sicher zu Hause sein würde.
    »Sie kennen das Gebäude«, sagte Hélène zu LaBréa. »Die große eiserne Eingangstür hat kein Schloss. Vom Hof aus sah ich, dass im ersten Stock Licht brannte. Da wusste ich, jetzt ist es so weit.«
    »Sie sagten, Sie hatten Ihr Äußeres verändert?« LaBréa schenkte sich Kaffee nach. »In welcher Form, Dr. Clément?«
    »Ich hatte mir ein Kopftuch umgebunden und eine dicke Hornbrille aufgesetzt. Nie zuvor habe ich ein Kopftuch getragen. Meine Familie war zwar muslimisch,
aber in einem völlig liberalen Sinn. Eine Benachteiligung als Mädchen habe ich früher nie gekannt. Meine Eltern waren weltoffen und westlich orientiert. Meine Mutter allein schon aufgrund der Tatsache, dass sie aus Paris kam.«
    »Was geschah dann?«, fragte LaBréa.
    Im Licht ihrer Taschenlampe war Hélène auf leisen Sohlen durch die dunkle Maschinenhalle der Spinnerei gegangen. Im ersten Stock hatte sie gelauscht. Nichts war zu hören,

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