Todeswald
und grub mich unter ihren dichten Ästen ein.
In allerletzter Sekunde!
„Du brauchst keine Angst zu haben“, rief er irgendwo in der Nähe. „Begreif das doch! Du wirst erfrieren. Komm her!“
Seine Stimme war weich und überzeugend.
Die Versuchung, ihm zu gehorchen, war groß. Er klang ehrlich besorgt. Ich wollte ihm glauben, wollte nach Hause. Wollte schlafen. Schlafen.
Ich hielt die Luft an und versuchte wach zu bleiben. Meine Augenlider waren so schwer … so schwer …
Seine knirschenden Schritte passierten mein Versteck, entfernten sich.
Vielleicht war ich kurz weggedämmert, denn plötzlich knirschten die Schritte wieder ganz in meiner Nähe. Ich kroch noch tiefer in den eiskalten Schnee unter den Zweigen und versuchte mich so klein wie möglich zu machen.
Ich hörte seinen schweren Atem immer näher kommen.
Mein Herz klopfte so laut, dass er es unter allen Umständen hören musste, wenn er stehen blieb. Voller Panik kämpfte ich darum, das Wimmern zu unterdrücken, das mir in der Kehle steckte und herauswollte.
In diesem Moment hörte ich ein willkommenes Geräusch.
Einen Automotor!
Die Schritte hielten an. Wahrscheinlich wartete Kalle Svensson darauf, dass das Auto vorbeifuhr.
Ich musste vor zur Straße! Das hier war meine Chance. Die einzige!
Ich begann vorwärtszukriechen, dabei war mir bewusst, dass ich damit auch mein Versteck preisgab. Es ging langsam, die eisige Kälte drang durch die Jeans und den Pulli. Meine Gelenke waren wie erstarrt und meine bloßen Hände bereits gefühllos.
Noch schlimmer war, dass ich fortwährend einzuschlafen drohte. Ich biss mir auf die Lippen, bis ich den metallischen Geschmack nach Blut auf die Zunge bekam. Der Schmerz hielt mich wach.
Das Scheinwerferlicht des fremden Wagens fiel auf den Mann, der mich verfolgte, beleuchtete seine Arbeitshose und seine dunkle Jacke. Er hatte mir den Rücken zugewandt und sah zu dem Auto hinüber, das immer näher kam. Sein Atem stieg dampfend vor ihm auf.
Das Auto verlangsamte sein Tempo.
Bitte anhalten!
Ich wurde erhört. Die Bremsen heulten auf und die Reifen schlitterten über die Straße. Eine Tür wurde bei laufendem Motor aufgeschlagen.
Wenn es mir schon nicht gelang, bis auf die Straße zu kriechen, konnte ich wenigstens schreien.
„Hilfe.“
Ich versuchte zu schreien, aber heraus kam nur ein Flüstern, das von dem brummenden Motor übertönt wurde.
„Wo ist Svea?“
Das war Linus!
„Verdammt, hast du etwa den BMW geklaut?“, fauchte Kalle. „Bist du wahnsinnig?“
„Wo ist sie?“
„Hier!“
Sie hörten mich nicht. Ich versuchte mich zu erheben, schaffte es aber bloß auf die Knie und blieb hinter den hohen Schneewällen unsichtbar.
„Svea hat mich angerufen“, fuhr Linus fort. „Ich hab euch wegfahren sehen. Wo ist sie?“
„Wer?“
„Svea. Ihr Fahrrad stand vor dem Büro.“
„Was für ein Scheißfahrrad?“
Ich hörte echte Überraschung in Kalle Svenssons Stimme.
„Da kann doch jeder sein Fahrrad hingestellt haben“, fuhr er dann fort.
„Wenn du es siehst, kapierst du, warum ich weiß, dass es ihres ist. Wo ist sie?“
„Hier!“, stöhnte ich.
Sie hörten immer noch nichts.
Ich versuchte vorzukriechen, versank aber bis zu den Schultern im Schnee.
„Keinen Schimmer“, fauchte Kalle. „Und jetzt werden wir mit dem BMW zurückfahren. Und wehe dir, wenn er auch nur einen Kratzer abbekommen hat! Das kommt deinen Vater dann teuer zu stehen!“
„Kannst du gleich mit ihm selbst besprechen. Er muss jede Sekunde hier sein.“
„Ist doch unnötig, hier in der Kälte herumzustehen und zu warten. Ruf ihn an und sag, dass wir zur Werkstatt zurückfahren. Dort können wir in aller Ruhe alles besprechen.“
Neeein!
Ich kroch weiter. Kalle versuchte natürlich, Linus von hier wegzulocken, bevor sein Vater kommen konnte und sie mich finden würden. Sie durften mich nicht hier zurücklassen! Ich würde erfrieren!
„Ist Svea noch in deinem Auto?“, fragte Linus plötzlich.
„Natürlich nicht. Schau doch nach!“
Geh nicht!
Plötzlich verstummte der Motor.
Da hörte ich, dass sich zumindest einer von ihnen schon mit schnellen, knirschenden Schritten entfernte. Bestimmt war das Kalle Svensson, der vorausrannte, um rechtzeitig meine Jacke verstecken zu können. Hoffentlich blieb Linus stehen.
„Hallo! Hallo!“, ächzte ich, so laut ich konnte.
„Was war das?“, sagte Linus dann doch.
„Der Wind“, hörte ich Kalle Svensson aus einiger Entfernung rufen. „Komm
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