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Der Engel Esmeralda

Der Engel Esmeralda

Titel: Der Engel Esmeralda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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SCHÖPFUNG
    Wir fuhren seit einer Stunde, über weite Strecken bergauf durch dampfenden Regen. Ich hatte mein Fenster eine Handbreit geöffnet, in der Hoffnung, etwas zu wittern, das Aroma von Duftsträuchern. Dort, wo die Straße am übelsten war, bremste unser Fahrer ab, ebenso in den engsten Kurven und wenn uns in den Dunstschleiern ein anderes Auto entgegenkam. Ab und zu war die Vegetation am Straßenrand weniger dicht, und der Blick öffnete sich auf reinen Urwald, undurchdringliche Senken zwischen den Hügeln.
    Jill las in ihrem Buch über die Rockefellers. Wenn sie einmal dabei war, wurde sie unerreichbar, wie unter starker Betäubung, und auf dem ganzen Hinweg sah ich nur einmal, dass sie von ihrem Buch aufschaute und ein paar spielende Kinder auf einem Feld betrachtete.
    In beiden Richtungen herrschte wenig Verkehr. Die Autos, die uns entgegenkamen, tauchten jäh auf, klein, bunt, verbeult, dahindotzend wie in einem Comic, und unser Fahrer Rupert musste in dem heftigen Regen flink reagieren, um Zusammenstößen zu entgehen und den tiefen Furchen in der Straße und dem echten Dschungel, der uns entgegenwucherte, auszuweichen. Wenn einer Platz machen musste, das schien keine Frage zu sein, dann unser Fahrzeug, das Taxi.
    Die Straße verlief nun ebener. Hin und wieder stand jemand zwischen den Bäumen und beäugte uns. Dampfende Schwadenwaberten von den Höhen ins Tal. Ein kurzer Anstieg, dann erreichte der Wagen den Flughafen, eine Reihe kleiner Gebäude und ein Rollfeld. Der Regen hörte auf. Ich bezahlte Rupert, und wir trugen das Gepäck in den Terminal. Danach gesellte er sich draußen zu den anderen Männern in Sporthemden, und sie hielten in dem plötzlichen Sonnenglast einen Schwatz.
    Der Raum war voller Menschen, Gepäck und Kisten. Jill setzte sich lesend auf ihren Koffer, umgeben von unseren Tragetaschen und dem restlichen Handgepäck. Ich drängelte mich zum Schalter durch und erfuhr, dass wir auf der Warteliste standen, Nummer fünf und sechs. Mein Gesichtsausdruck wurde nachdenklich. Ich sagte dem Mann, wir hätten den Flug von St. Vincent aus bestätigt. Er teilte mir mit, man hätte zweiundsiebzig Stunden vor dem Abflug noch einmal rückbestätigen müssen. Ich sagte, wir seien Segeln gewesen; vor zweiundsiebzig Stunden hätten wir uns zwischen den Tobago Cays befunden – keine Menschen, keine Gebäude, keine Telefone. Er erwiderte, die Rückbestätigung sei obligatorisch. Er zeigte mir elf Namen auf einem Blatt Papier. Materieller Beweis. Wir waren Nummer fünf und sechs.
    Ich ging zu Jill, um es ihr zu sagen. Sie ließ sich zwischen das Gepäck sinken, ein stilisierter Kollaps. Sie kostete ihn aus. Dann führten wir einen Pro-forma-Dialog. Sie brachte sämtliche Argumente, die ich gerade dem Mann am Schal-ter gegenüber geäußert hatte. Von St. Vincent aus bestätigt. Yacht gechartert. Unbewohnte Inseln. Und ich wiederholte alles, was er mir zur Antwort gegeben hatte. Mit anderen Worten, sie spielte meine Rolle, ich seine, aber ich tat es in einem möglichst vernünftigen Tonfall und fügte plausible Informationen hinzu, um ihre Verärgerung abzumildern. Ich riefihr außerdem in Erinnerung, dass es drei Stunden später den nächsten Flug gab. Damit kämen wir immer noch rechtzeitig nach Barbados für einen Sprung in den Pool vor dem Abendessen. Und nachher würde es kühl und sternenklar sein. Oder warm und sternenklar. Und wir würden die Brandung in der Ferne rauschen hören. Die Ostküste war ja für ihre rauschende Brandung bekannt. Und morgen Nachmittag würden wir wie geplant unser Flugzeug nach New York besteigen und hätten nichts verloren außer ein paar Stunden auf diesem authentischen kleinen Inselflughafen.
    »Wie neoromantisch und wie angemessen für heute. Wie viele Leute passen in diese Flieger, vierzig?«
    »Ach was, mehr«, sagte ich.
    »Wie viel mehr?«
    »Mehr halt.«
    »Und wo stehen wir auf der Liste?«
    »Fünf und sechs.«
    »Nach den mehr als vierzig.«
    »Ganz viele kommen gar nicht«, sagte ich. »Der Dschungel verschluckt sie.«
    »Blödsinn. Guck dir doch die Leute an. Da kommen immer mehr.«
    »Einige bringen nur jemanden zum Flughafen.«
    »Lieber Gott, wenn er das glaubt, will ich ihn nicht auf meiner Seite haben. Die sollten alle überhaupt nicht hier sein, so sieht’s aus. Wir haben Nebensaison.«
    »Einige leben hier.«
    »Und wir wissen auch genau, wer, nicht wahr?«
    Das Flugzeug aus Trinidad landete, und der Lärm und der Anblick sorgten

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