Todeswald
die Gelegenheit und kippte den Saft in den einzigen Blumentopf, der auf dem Fensterbrett stand, von einem Kranz aus welken Blättern umgeben.
Als ich mich auf die Haustür zu bewegte, drehte sich mir der Kopf.
Kalle kam mir entgegen.
„Wohin willst du?“
„Äh … aufs Klo.“
Er deutete mit einem Kopfnicken in den schmalen Flur hinaus, wo ich meine Jacke aufgehängt hatte.
Ich taumelte weiter, während mir die Gedanken in wildem Durcheinander durch den Kopf wirbelten. Hatte Linus’ Vater die Polizei verständigt oder nicht? Wenn ich nur erfahren könnte, mit wem er gesprochen hatte, wenn ich nur sicher wüsste, dass die Polizei über die Tasche informiert war. Die Tasche war wichtig, sie konnte die Polizei zu dem Mörder führen.
Ich schloss die Klotür ab und wählte Linus’ Nummer, obwohl ich riskierte, dass er den Hörer sofort wieder auflegte. Aber er meldete sich nicht. Schon wieder musste ich mich mit dem Anrufbeantworter unterhalten.
„Ich bin in Kalle Svenssons Büro. Sei nicht … sauer… Ruf mich an. Wir müssen … die Sache mit Mikaelas Tasche überprüfen … wichtig …“
Das Sprechen fiel mir schwer, ich nuschelte und stolperte über die einzelnen Wörter.
Was war denn nur los mit mir?
Als ich aus dem Klo kam, spürte ich, dass der Boden unter meinen Füßen schwankte.
„Fehlt dir was?“
Kalle Svenssons Stimme klang beunruhigt.
„Ich …“
„Setz dich! Ich fahr dich nach Hause. Muss nur kurz abräumen.“
Aber Sie haben doch Alkohol getrunken, dachte ich. Ich war jedoch zu schwach, um protestieren zu können.
Ich ließ mich schwer auf den Stuhl fallen. Meine Gedanken liefen träge wie Sirup in immer denselben Bahnen. Linus’ Vater hatte behauptet, er würde die Polizei über die Tasche informieren …
Plötzlich schlitterten meine Gedanken auf eine neue Bahn hinüber und stolperten über etwas, das Kalle Svensson vorhin gesagt hatte.
„Dann ist es ja zu dumm, dass die Tasche jetzt wieder verschwunden ist.“
Woher wusste er, dass Mikaelas Tasche nicht mehr da war? Ich hatte nur erwähnt, dass Hedvig die Tasche aus dem See geangelt hatte.
Hatte Kalle Svensson das Gespräch von Linus’ Vater mit der Polizei belauscht und die Tasche von Hedvig geholt? Aber warum?
Hatte er etwas mit der Liga zu tun? Erpressten die ihn etwa? Hatte er ihnen geholfen, Beweise beiseitezuschaffen?
Wie war das mit der Flasche, die als Warnung auf mich geworfen worden war? Das war passiert, nachdem Linus und ich beschlossen hatten, uns diese mysteriöse Garage noch einmal genauer anzuschauen. Bei der Gelegenheit war Linus hier im Büro gewesen. Wir hatten über unsere Theorien gechattet und am Handy offen über unsere Pläne geredet. Und ich hatte jemanden im Hintergrund gehört. Damals hatte ich angenommen, es sei Linus’ Vater gewesen. Aber vielleicht war es Kalle gewesen! Kalle Svensson, der uns heimlich belauscht hatte, um dann der Liga zu verraten, was wir vorhatten!
Plötzlich stieg eisige Angst in mir hoch. Am besten, ich verdrückte mich so schnell wie möglich.
Kalle Svensson stand in der Kochnische und wusch gerade das Geschirr ab, dabei hatte er mir den Rücken zugewandt. Das war meine Chance.
Ich stand auf und torkelte auf die Haustür zu, riss meine Jacke an mich und drückte den Türgriff nach unten. Abgeschlossen. Und kein Schlüssel im Schloss!
Die Tür zur Werkstatt stand einen Spalt weit offen. Ich taumelte hinüber und blieb dann in der Türöffnung stehen. Meine Beine fühlten sich an wie Gelee. Ich starrte mit weit aufgerissenen Augen in die Werkstatt.
Dort standen zwei Autos. Das eine war ein funkelnagelneuer BMW, dem gestohlenen Luxusvehikel von Roy Gräs täuschend ähnlich!
Nur die Farbe stimmte nicht.
Das andere war ein silbergrauer Volvo V70. Kalle Svenssons Auto, das war mir sofort klar. Die Seitentür hinter dem Fahrersitz war braunschwarz gefleckt und anstelle von Glas bedeckte eine Pappscheibe die hintere Fensteröffnung.
Ein Volvo. Ein heller Volvo, von einem Molotowcocktail beschädigt!
Plötzlich stand Kalle Svensson hinter mir. Ich wandte mich halb zu ihm um, musste mich aber schnell wieder zurückdrehen, weil alles schwankte. Aber ich hatte noch kurz seinen Gesichtsausdruck gesehen – traurig und gleichzeitig resigniert.
„Jetzt weißt du also, dass ich es war“, sagte er leise.
KAPITEL 48
Kalle Svensson war es! Kalle Svensson, und nicht mein Papa. Auch nicht Linus’ Vater, Samuel Wester oder einer aus der kriminellen Liga.
Ich drehte
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