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Töchter des Schweigens

Töchter des Schweigens

Titel: Töchter des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elia Barceló
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Liebe und des Göttlichen Plans. Und mit einem Mal hört Javier auf zu kämpfen, ergibt sich, vergeht in Marisas Armen, bis er nach einer Weile, in der er jegliches Zeitgefühl verloren hatte, einer Weile, in der seine Individualität aufgehoben war, um eins zu werden mit ihr, ein Fleisch, wie er es bei so vielen Trauungen gesagt hat, entspannt auf den Körper der Frau sinkt und murmelt: »Ich liebe dich, Marisa, möge Gott mir verzeihen, ich liebe dich«, und erschüttert und glücklich begreift, dass sich nun sein ganzes Leben ändern muss.

2007
    Rita erreichte die Klinik mit einem beklemmenden Gefühl in der Brust, als erinnerten sich ihre Lungen plötzlich der Tausende von Zigaretten, die sie im Lauf ihres Lebens geraucht hatte, und bekämen keine Luft mehr. Teresa hatte sie angerufen und gesagt, sie würde ihr alles erklären, sobald sie da wäre. Candela ging nicht ans Handy.
    Sie fand es befremdlich, beleidigend gewissermaßen, dass Menschen mitten in den Sommerferien im Krankenhaus liegen mussten, wenn die Schulen geschlossen sind, die jungen Leute im Schwimmbad liegen, die Familien an den Strand fahren und die Tage lang, warm und voller Licht sind. Es musste etwas Akutes sein, lästig, aber leicht zu kurieren, eine Blinddarmentzündung oder so. Candela hätte ihr gesagt, wenn sie ernstlich krank wäre. Es musste sich um eine unerwartete Kleinigkeit handeln.
    Die Klimaanlage im Inneren des Gebäudes ließ sie schlottern. Das Personal trug lange Ärmel, und einige Krankenschwestern hatten sogar eine leichte Strickjacke übergezogen.
    Sie bat, Teresa Bescheid zu geben, und während sie in der Halle stand, überkam sie, wie immer in Krankenhäusern, der starke Impuls davonzulaufen. Doch sie musste nicht lange warten. Nach wenigen Minuten sah sie Tere kommen, in einem weißen Kittel, in dem Rita sie noch nie gesehen hatte, und mit einem Blick, aus dem klar hervorging, dass es sich mitnichten um ein harmloses Unwohlsein handelte. Hatte Candela womöglich einen Verkehrsunfall gehabt? Oder war es so etwas wie … wie das mit Lena? Sie schob den Gedanken mit beinahe körperlicher Anstrengung beiseite und ließ sich von ihrer Freundin in die Arme nehmen.
    »Komm, Rita, lass uns einen Moment nach draußen gehen, du frierst ja. Nachher leihe ich dir einen Pullover.«
    Vom Parkplatz aus überblickte man einen Großteil des Tales von Elda, grellgelb im Licht der Mittagssonne. Die winzigen Schatten der Bäume sahen aus wie Tintenkleckse. Die Hitze war wie eine Flüssigkeit, die beim Atmen die Lungen blähte.
    »Was ist mit Candela?«, fragte Rita, als sie eine schattige Stelle erreicht hatten. »Nichts Schlimmes, hoffe ich.«
    Teresa fuhr sich mit der Hand über die Stirn, strich den Pony nach hinten und ließ ihn wieder zurückfallen.
    »Sie liegt im Sterben, Rita.«
    »Was?«
    »Es ist nichts zu machen. Lymphdrüsenkrebs.«
    »Weiß sie es?«
    »Seit Monaten.«
    »Sie hat mir nichts davon gesagt.«
    »Das habe ich mir gedacht. So ist sie.«
    Sie schwiegen einige Minuten, während Rita versuchte, die Nachricht zu verdauen, zu begreifen, dass sich alle ihre Pläne, ihre Projekte, die Zukunft, die sie sich ausgemalt hatte, obwohl sie sich bewusst war, welche Schwierigkeiten sie erwarteten, hoffnungslos in Luft auflösten.
    »Was können wir tun?«, fragte sie schließlich mit erstickter Stimme.
    Teresa zuckte mit den Schultern und legte ihr eine Hand auf den Arm.
    »Nichts, Rita. Ihr beim Sterben helfen. Sie bis zum Ende begleiten. Kannst du noch ein paar Tage bleiben?«
    »So lange wie nötig.«
    »Du bist eine gute Freundin.« Rita hätte um ein Haar aufgelacht, doch fiel ihr noch rechtzeitig ein, dass Teresa nicht wissen konnte, dass sie schon seit jeher viel mehr als Freundinnen waren. »Candela braucht uns jetzt, auch wenn sie es abstreitet.«
    »Kann ich zu ihr?«
    »Natürlich. Sie möchte dich sehen. Dich allein, hat sie mir gesagt.«
    »Wie viel … wie viel Zeit bleibt ihr noch?«
    Teresa zuckte wieder mit den Schultern.
    »Tage. Vielleicht eine Woche … das ist schwer zu sagen. Auf jeden Fall, bis sie sich entschließt. Wir haben das schon vor längerer Zeit vereinbart.«
    »Bringst du dich damit nicht in Schwierigkeiten?«
    »Ich glaube nicht. Aber es ist mir egal. Ich schulde es ihr nach einer lebenslangen Freundschaft. Mach dir keine Gedanken, Rita, das ist meine Sache. Kümmere du dich um sie, hilf ihr. Den Rest übernehme ich.«
    Stumm gingen sie zurück in die Klinik, Teresa gab ihr einen Pullover, und

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