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Töchter des Schweigens

Töchter des Schweigens

Titel: Töchter des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elia Barceló
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erfahren. Telmo ist einige Male nach dem Abendessen ausgegangen, aber immer mit anderen Lehrern der Schule, immer in die üblichen Lokale, und immer zeitig zurückgekommen.
    Paca, Marisas Mitbewohnerin, die Physik unterrichtet und für Loles in Elda das ist, was einer Freundin am nächsten kommt, meint, er stecke höchstwahrscheinlich gerade in einer Krise, wie sie viele Männer Mitte dreißig durchmachen: das Gefühl, nicht mehr jung zu sein, allmählich die mittleren Jahre zu erreichen, ohne jemals die Chance gehabt zu haben, etwas Verrücktes zu tun. Vielleicht fürchte er sich vor der Verantwortung, die ein Kind mit sich bringt, der Einsicht, dass es jetzt kein Zurück mehr gibt, oder er ziehe seine Lebensbilanz, und plötzlich sei es ihm zu wenig, die nächsten dreißig Jahre bis zu seiner Pensionierung Direktor eines Provinzgymnasiums zu bleiben.
    Loles hat versucht, das nachzuvollziehen, in Friedenszeiten mit ihm zu sprechen und ihm deutlich zu machen, dass sie Verständnis für ihn hat, bereit ist, ihm mehr Freiheit zu geben, mehr Zeit für sich selbst …, aber es hat nichts genützt. Entweder liegt Paca mit ihrer Vermutung völlig falsch, und das ist gar nicht sein Problem, oder Telmo hat tatsächlich genug von seiner Ehe, seiner Arbeit und ihr und denkt ernsthaft an eine Trennung.
    Er ist schon immer etwas ungeduldig gewesen, reizbar manchmal, »ein unruhiger Geist«, wie seine Mutter es nennt, doch niemals, nicht ein einziges Mal in den zehn Jahren, die sie zusammen sind, hat er die Hand gegen sie erhoben. Bis heute. Und dann auch noch praktisch in aller Öffentlichkeit, in Anwesenheit der Schüler.
    Loles’ Gesicht glüht vor Scham. Telmo hat eine schwangere Frau geschlagen. Seine eigene Frau. Und warum? Weil ein paar achtzehnjährige Schülerinnen in einer Diskothek mit Jungen ihres Alters geknutscht haben. Was ist los mit ihrem Mann?, fragt sie sich unentwegt. Ist er neidisch auf die jungen Leute? Wäre er lieber dabei gewesen, anstatt mit den Kollegen auf der Terrasse Eis zu essen? Und wo haben sich die lieben Kollegen den ganzen Abend lang verkrochen? Klar, dass es Javier und Marisa unangebracht schien, Zeugen eines Ehekrachs zu werden, aber danach waren sie vollends verschwunden. Was andererseits auch wieder den Vorteil hatte, dass zumindest sie Loles’ Demütigung nicht miterleben mussten.
    Sie weiß, dass sie sehr bald eine Entscheidung treffen muss. Telmo hat ihr gesagt, er würde in diesem Sommer gern nach Griechenland fahren und sich die antiken Stätten ansehen, die er noch nicht kennt; aber mit einer schwangeren Frau kann er nicht so reisen, wie er will, mit dem Zelt und aufs Geratewohl. Und für gute Hotels reicht ihr Budget nicht.
    Sie weiß und will nicht wahrhaben, dass Telmo ihr entgleitet. Wie aber soll sie ihn halten? Mit dem Baby? Damit er endgültig zu diesem verdrossenen, keifenden Fremden wird, der er in letzter Zeit ist?
    Was aber soll sie tun, wenn sie sich trennen? Wie soll sie arbeiten mit einem Neugeborenen, ohne Mann, ohne Familie, ohne Hilfe? Ohne Telmo. Ihr graust bei dem Gedanken an ein Leben ohne Telmo, und darum zwingt sie sich mit aller Macht, daran vorerst nicht zu denken. Das wird schon wieder. Vielleicht ist er besserer Stimmung, wenn er aus Griechenland zurückkommt und Zeit gehabt hat, sich zu entspannen und zu besinnen. Er arbeitet zu viel. Sie arbeiten beide zu viel. Sie wird ihm sagen, dass er ruhig für zwei Wochen allein verreisen kann. Sie wird zu ihrer Mutter und ihren Schwestern aufs Dorf fahren, und wenn er wiederkommt, werden sie alles in Ruhe besprechen. Ja. Das ist die beste Lösung. Männer sind kompliziert, aber unentbehrlich; und einer Frau bleibt nichts anderes übrig, als sich zu fügen, wenn sie ihr Lebensprojekt nicht aufs Spiel setzen will: einen Gatten, ein paar Kinder, einen festen Job, eine eigene Wohnung. Feminismus ist schön und gut, solange man nicht persönlich betroffen ist, aber in ihrem Fall ist es sowieso zu spät. Sie hat sich längst entschieden.
    Die Mädchen im Hotelgarten unterhalten sich auch über Männer, sind jedoch nicht bereit, sich zu fügen, jetzt nicht und überhaupt nie. Ana beschimpft die anderen lautstark als Memmen – »immer am Heulen um einen Kerl«, »immer davon abhängig, ob er mich beachtet oder links liegen lässt«, »seid ihr bescheuert, oder was?«, »sie behandeln uns Frauen wie Putzlappen, und wir lassen es uns gefallen« – und hat sie schon so weit, dass sie jeden greifbaren Mann mit den Krallen

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