Formbar. Begabt
1
Fantastisch
Drei Stunden sind wir auf der Suche nach dem »ultimativen Party-Outfit« für meine beste Freundin Viv durch die Läden des Einkaufszentrums gezogen. Drei Stunden, in denen ich krampfhaft versucht habe, Farben wie Malve, Lavendel und Taupe nicht nur zu unterscheiden, sondern anschließend auch zu bewerten. Dieser ganze Aufwand hat lediglich einen Grund: Viv will auf Miris »School's out«-Party am Wochenende in brandneuen Klamotten erscheinen. Ich bin ebenfalls eingeladen, mache mir aber wenig Gedanken wegen der Kleidung. Im Schummerlicht ist völlig egal, was man trägt, da es sowieso keiner sieht. Sollte die Beleuchtung aus unerfindlichen Gründen doch angeschaltet werden, geschieht dies nur, weil entweder die Eltern oder die Polizei auf der Matte stehen. In diesem Fall ist die Party auch ruiniert, wenn ich gut aussehe, wie nie zuvor in meinem Leben.
Bevor ich völlig den Verstand verliere, zieht Viv die Notbremse und schleppt mich in die Kaffeebar unseres Vertrauens, wo ich mir, unabhängig von Jahreszeit und Wetter, einen Christmas Latte bestelle. Der wird dort immer verkauft, und in mir hat man einen dankbaren Abnehmer gefunden.
Als ich mir gerade diesen entzückenden kleinen Keks, der zum Kaffee serviert wird, in den Mund geschoben habe und einen beiläufigen Blick zum Fenster hinauswerfe, bleibt mir das Teil beim Hinunterschlucken im Hals stecken. Mit tränenden Augen und hustend hänge ich auf der Tischplatte. Unterdessen klopft mir Viv viel zu fest auf den Rücken und murmelt aufmunternde Dinge wie »Musst du immer so schlingen?«. Wild gestikulierend und nach Luft japsend versuche ich ihr klarzumachen, dass draußen soeben der unglaublichste Typ unserer Schule gemeinsam mit seinen Freunden Position bezogen hat und einen Kaffee zum Mitnehmen erstehen will. Gebannt starre ich aus dem Fenster und bewundere seine dichten schwarzen Haare, die athletische Figur, seinen... na, eben alles, was sechzehnjährige Mädchen an einem Jungen bewundern, wenn er mit dem Rücken zu ihnen steht.
Wäre es nicht toll, wenn er sich umdrehen würde? Unsere Blicke träfen sich für einen Moment. Genau so lange, dass ich ihm ein schmales, mysteriöses Lächeln zuwerfen könnte, durch das er endlich auf mich aufmerksam wird und mich unbedingt kennenlernen will. Da er erst seit Kurzem auf unsere Schule geht und zudem zwei Klassen über mir ist, hat er mich leider bis jetzt nicht registriert. Manche Leute muss man einfach zu ihrem Glück zwingen!
Los doch, Jan! Dreh dich um! Hier bin ich!
Er dreht sich um. Unsere Blicke treffen sich.
Vor Schreck mache ich eine ruckartige Bewegung mit dem Arm und fege meinen Christmas Latte vom Tisch. Das Letzte, was ich sehe, bevor ich mit hochrotem Kopf unter die Tischplatte abtauche, um den Schaden zu begutachten und nie wieder hervorzukommen, sind Jans hochgezogene Augenbrauen und der extrem irritierte Blick, mit dem er mich mustert.
Man soll das Positive in den Dingen sehen. Ich wollte schließlich, dass er auf mich aufmerksam wird. Na bitte!
Nach diesem erfolgreichen Nachmittag bin ich froh, als ich endlich die Haustür hinter mir schließen kann. Glücklicherweise ist bisher kein anderes Familienmitglied aufgetaucht, wodurch ich weder mit meiner ewig besorgten Mutter, noch mit meinem über alle Maßen nervigen Bruder Simon konfrontiert werde. Mein Vater arbeitet sowieso bis spät abends, er stellt keine Gefahr dar. Eigentlich wären diverse Hausaufgaben zu bewältigen, aber nach der Blamage in der Kaffeebar bin ich nicht in der Verfassung, mich auf irgendetwas zu konzentrieren.
Der heutige Tag ist eine Ausnahmesituation. Seit Wochen hoffe ich auf die Gelegenheit, Jans Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Und statt des mysteriösen Lächelns, das ich sogar vor dem Spiegel geübt habe, werfe ich mit Kaffeetassen um mich. Wenn er nicht gerade auf Grobmotoriker steht, habe ich meine Chancen von Null in den Minusbereich bewegt. Seiner perfekten Freundin Denise ist so etwas mit Sicherheit nie passiert. Sie sind erst wenige Wochen zusammen, und ich könnte jedes Mal vor Eifersucht an die Decke gehen, wenn ich die beiden sehe. Womit konnte sie seine Aufmerksamkeit erregen, obwohl sie in meine Klasse geht und somit auch nur eine unwichtige Mittelstufenschülerin ist?
Scheinbar war sie zur rechten Zeit am perfekten Ort und hat auch noch das Richtige getan. Im Gegensatz zu mir, denn zumindest beim letzten Punkt handelt es sich um ein Talent, das mir definitiv nicht in die Wiege
Weitere Kostenlose Bücher