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Tödliche Investitionen

Tödliche Investitionen

Titel: Tödliche Investitionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Ola Dahl
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sie schließlich. »Nein, wirklich nicht.«
    Etwas war passiert. Sie flüsterten nicht mehr.
    »Warum musst du gehen?«
    Ihre Stimme klang jetzt etwas anders.
    »Ich muss bald zur Arbeit. Und vorher noch nach Hause und mich umziehen. Mach’s gut«, flüsterte er an der Tür und spürte wieder, wie seine Knie bei der Berührung mit ihren Lippen weich wurden. Er wartete, bis sie die Tür hinter ihm zugemacht hatte, dann lief er die Treppen hinunter, aus dem Hauseingang, holte Atem und hörte die Haustür hinter sich ins Schloss fallen.
    Der Hinterhof war ein asphaltierter Platz mit einem Fahrradschuppen. Das Tor in dem düsteren Torweg war abgeschlossen. Es ließ sich auch von innen nicht öffnen.
    Verwundert ging er zurück, blieb mitten auf dem Hof stehen. Er war eingesperrt! Auf zwei Seiten ragte unüberwindlich das Mietshaus auf. Die Tür zum Treppenhaus und auch das Tor waren verschlossen. Aber rechts war nur ein Bretterzaun, keine Steinmauer. Sicher war auf der anderen Seite ein Abbruchhaus. Schwer zu sagen. Der Zaun versperrte die Sicht. Aber es müsste möglich sein, hinüberzuklettern. Mehr als drei Meter waren das kaum. Wenn der Zaun nur nicht von Stacheldraht gekrönt gewesen wäre. Er war verrostet, aggressiv zu runden Bögen gewunden.
    Das geht schon, dachte er und zog die Mülltonne heran. Verdammt! Was für ein Krach! Auf den Deckel. Die Tonne schwankte. In die Knie, Schwung holen! Jetzt!
    Verflucht!
    Er lag auf dem Boden, schaute in den blauen Himmel und auf eine rosa angestrichene Wand mit dunklen Sprossenfenstern. Hoch oben schwebte eine Möwe. Sie schrie. Er griff sich an den Kopf. Blut an den Fingern. Nächster Versuch. Er musste die Mülltonne wieder aufstellen.
    Jetzt. Der Zaun knackte und gab unter ihm nach. Aber es ging. Er konnte ein Bein hochschwingen. Er wälzte sich hinüber und hörte eher, als dass er es spürte, wie der Stacheldraht seine Hose aufriss.
    Er hatte richtig gelegen. Es war ein Abbruchgelände. Graubraune Grasbüschel zwischen roten Ziegelresten auf dem Boden. Noch ein Bretterzaun zur Straße hin. Aber der war nicht so hoch. Er nahm Anlauf und sprang. Der Stacheldraht zerrte an seiner Jacke. Er war draußen. Stille. Nur das Brummen eines Autos in der Ferne war zu hören, als er sich den Schmutz abklopfte. Sein Hemd war aus der Hose gerutscht, und er blutete stärker, als er zunächst gedacht hatte. Neben ihm hielt ein Taxi. Zwei Personen stiegen aus, gingen in großen Schritten zum Tor und schlossen auf, während das Taxi verschwand. Typisch! Hätte er ein paar Minuten gewartet, dann hätte er einfach hinausspazieren können.
    Komischer Morgen, dachte er und schlenderte die wenigen Meter zurück zum Tor, das jetzt nur angelehnt war. Es knarrte, als er es aufschob und wieder auf den Hof ging. Jetzt entdeckte er die Klingelleiste neben der Tür. Was war er für ein Idiot! Ein Knopfdruck, und sie wäre mit ihrem Schlüssel gekommen und hätte ihn rausgelassen. Ein kleiner Zettel mit ihrem Namen klebte neben der Klingel. Blaue Kugelschreiberschrift, die ein wenig verlaufen war. Der Anblick des Zettels erinnerte ihn an ihre Haut unter seinen Fingerspitzen.
    Er könnte wieder nach oben gehen. Sich zu ihr legen und weiterschlafen. Bis zwölf oder eins. Mit ihr zusammen aufwachen.
    Probehalber drückte er gegen die Tür: offen. Also könnte er einfach hinaufgehen. Ein Stück entfernt, in einer Seitenstraße, lärmte eine Straßenbahn. Er dachte an ihre Finger, wie sie mit seinem Haar gespielt hatte. Unentschlossen blieb er stehen und schaute auf seine Uhr. Irgendwo schlug eine Autotür zu. Jemand kam, betrat den Hof.
    Er entschied sich. Die Arbeit rief. Er ging, nickte dem Neuankömmling aber erst höflich zu.

Zwei
    ZuHause zog er frische Arbeitskleidung an. Er hatte genug Zeit, deshalb legte er sich noch einen Moment aufs Bett, wollte nur ein Viertelstündchen die Augen zumachen. Aber dann schlief er wie ein Stein und verpennte den Schichtwechsel, weil er vergessen hatte, den Wecker zu stellen. Er schlief bis zwei Uhr nachmittags. Beim Aufwachen dachte er an sie. Dachte an den Vorabend, an ihren Körper. Wie sie sich unter ihm bewegt hatte. Wie sie danach auf der Seite gelegen hatte, den Kopf auf die Hand gestützt, wie sie miteinander geplaudert und die Finger über nackte Haut hatten fahren lassen.
    Er war weggegangen und hatte dann blaugemacht, ohne es zu wollen. Hatte sechs Stunden hundertprozentige Überstunden verpasst und den fetten Hitzkopf von Vorarbeiter gegen sich

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