Tödliche Investitionen
können.«
Der Mann schwieg. Gunnarstranda wandte sich wieder an Mia. Holte Luft und spendierte ihr ein weißes Lächeln. »Waren Sie je in ihrer Wohnung?«
Noch ehe er die Frage beendet hatte, hatte sie mehrmals den Kopf geschüttelt.
Der Polizist erhob sich und nahm seinen Notizblock vom Tisch. »Das war für heute alles. Unser Vorgehen in diesem Fall wird sich nicht von dem in anderen Fällen unterscheiden. Zu Beginn einer Ermittlung arbeiten wir breit gefächert. Wir kommen später noch einmal, um uns um Details zu kümmern. Deshalb sind wir von der Mitarbeit der Zeugen abhängig. Darauf bauen unsere Ermittlungen zum Großteil auf.«
Mehr brauchte er nicht zu sagen. Die beiden interessierte das nicht. Er verließ sie. Niemand brachte ihn zur Tür.
Vier
Auf der Straße musste er genau vier Minuten warten, bis Frank Frølich den Dienstwagen neben ihm zum Stehen brachte.
Gunnarstranda stieg ein, ohne den Sicherheitsgurt, anzulegen. »Und was hast du herausgefunden?«, keuchte er, während er sich alle Mühe gab, seinen Mantel nicht plattzusitzen.
»Ich habe bei ihrer Arbeit angerufen.«
Frølich griff nach hinten und nahm eine dunkelbraune, abgenutzte Ledertasche vom Rücksitz und entnahm ihr einen Stapel Papiere. »Sie hat als so genannte Kundenbetreuerin gearbeitet, vermutlich also als Verkäuferin. Sie ist vor einem halben Jahr auf eine Annonce hin eingestellt worden.« Er drehte sich wieder um. »Ich habe mit einer Frau im Büro gesprochen, Sonja Hager. Ich habe den Eindruck, dass es ein kleiner Betrieb ist. Sie legen beim Personal Wert auf Flexibilität, sagte Hager. Also hat das Mädchen sicher auch noch andere Jobs gehabt.«
Mit Frølich als Fahrer war es eng im Auto. Die Knie des riesigen Kerls waren fast gegen das Lenkrad gequetscht, obwohl er den Sitz so weit wie möglich nach hinten geschoben hatte. Als er auf seinem Schoß die Unterlagen ausbreitete, musste der Kriminalhauptkommissar sich an das Fenster drücken, um Platz für die Arme des anderen zu machen.
»Sie hat Abitur gemacht, irgendwo im Nordwesten, Møre und Romsdal.«
Der Mann am Steuer kratzte sich im Bart. Schwarzer Vollbart mit grauen Sprenkeln, genau wie seine Haare. Haare und Bart waren struppig wie eine Piassavabürste. Was Gunnarstrandas Neid erregte. Sein einziger Trost war die Ahnung von Grau, obwohl der Knabe noch keine dreißig war.
»Dann zog sie nach Oslo um.«
Frølich sprach immer leicht nasal, wenn er Fakten referierte. Er atmete durch die Nase und redete mit dem Mund. »Wir haben von zwei Zeitarbeitsbüros ein paar Gelegenheitsjobs bestätigt bekommen, das reicht für einige Monate«, erzählte er. »Ansonsten Unklarheiten, aber ich konnte immerhin feststellen, dass sie ein Jahr bei der Post gearbeitet hat. Vor anderthalb Jahren hat sie da aufgehört, weil sie studieren wollte. Hat sich am 13. Januar letzten Jahres immatrikuliert, aber nie eine Prüfung gemacht. Dann hat sie sich am 4. Mai beim Arbeitsamt gemeldet und Anfang Oktober letzten Jahres bei »Software Partners« angefangen, so heißt die Firma. In der Zwischenzeit hat sie offenbar einige Wochen als Kassiererin in einem Supermarkt gearbeitet.«
Gunnarstranda nickte. Sein Kollege blätterte weiter in den Papieren auf seinem Schoß, erzählte, dass die Wohnung einem Lehrer gehöre, der derzeit in der Finnmark arbeite, um seine Studienschulden zu reduzieren. Seit zwei Jahren hatte sie dort gewohnt.
»Dieser Lehrerheini hat schon zweimal angerufen und genervt, wir sollten ihm einen neuen Mieter suchen.« Frank Frølich seufzte, blätterte weiter. »Dröger Typ, dieser Pauker.«
»Erzähl weiter.«
Gunnarstranda blickte noch immer auf die Straße und sah den beiden Hippies hinterher, die jetzt aus dem Tor kamen. Die zwei mageren, krähenhaften Gestalten in weiten, flatternden Gewändern stolzierten die Sannergata hoch, während Frølich berichtete, dass der Vater der Verstorbenen ebenfalls tot war, dass ihre Mutter aber noch lebte und dass ihre zwei Jahre ältere Schwester mit einem Ölarbeiter verheiratet war und in Flekkefjord wohnte. Die Verstorbene hatte früher Mutter und Schwester bisweilen besucht, und jetzt machte die Mutter sich wegen der praktischen Arrangements für die Beerdigung Sorgen.
»Finanzlage?«
»Bisher unklar.«
»Ihr Briefkasten ist auch leer«, fügte Gunnarstranda nach kurzem Schweigen hinzu.
Frølich sah noch einmal in den Unterlagen nach. »Weder Schwester noch Mutter erinnern sich an Namen, außer an Software Partners,
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