Toedliche Saturnalien
Welt.
Aus dem dichten Gewirr von engen Straßen und Gassen auf das Forum zu treten, war, als käme man aus einer engen Schlucht auf eine weite Ebene. Die Perspektive öffnete sich, und ich sah endlich mehr als einen schmalen Streifen Himmel über mir. Die großen Basiliken, die Denkmäler, die Rostra, und die Curie, in der sich der Senat versammelte und die in jüngster Zeit auch nicht niedergebrannt worden war, vor allem aber die herrlichen Tempel, von wunderschönen, kleinen, runden Tempel der Vesta bis hinauf zur glorreichen Krone des Capitols, dem Sitz des Jupiter Optimus Maximus.
Doch mehr noch als die Architektur war es die Bevölkerung, die das Forum prägte. Wie üblich herrschte ein unglaubliches Gedränge. Bürger, Freigelassene und Sklaven, Frauen, Fremde und Kinder drängten, schlenderten oder tollten trotz des kühlen Dezemberwetters umher, ganz wie ihnen zumute war. Und die allgemeine Stimmung war spannungsgeladen. Wer wie ich sein Ohr am Herzen Romas hat, kann die Stimmung der Stadt spüren wie eine Mutter die ihres Kindes: furchtsam, traurig, überschwenglich, empört, wütend, all dies ist offensichtlich, wenn man die Zeichen zu deuten versteht. Ich wußte, daß es mehr sein mußte, als die Vorfreude auf die Saturnalien, die in wenigen Tagen beginnen sollten. So sehr die Römer die Festlichkeiten der Saturnalien lieben, die Feiertage haben auch stets etwas Gedrücktes, weil es der Zeitpunkt ist, an dem wir unsere Schulden bezahlen müssen. Nein, diese Unruhe rührte von etwas anderem her, ein weiteres Geheimnis, das es zu lüften galt.
Ich tauchte in die Menge und begann alte Freunde zu begrüßen und Essenseinladungen anzunehmen. Trotz aller ehrfurchtsgebietenden Macht und Pracht ist Rom im Grunde ein zu groß gewordenes Bauerndorf, und ich konnte nirgendwohin blicken, ohne ein bekanntes Gesicht zu sehen. Mit Hermes im Schlepptau bewegte ich mich langsam über das Forum zum Capitol hinauf, wo ich ein Dankopfer für meine glückliche Rückkehr darbrachte.
Am frühen Nachmittag schickte ich Hermes zu meinem Haus, um meine Badesachen zu holen und entspannte mich in Dampf und heißem Wasser, während Freunde und Bekannte über Trabrennfahrer, Gladiatoren und skandalumwitterte Frauen klatschten. Niemand schien sich über Politik zu unterhalten, was mir seltsam vorkam. Es war nicht so, daß sie Angst hatten, was unter der Herrschaft eines verrückten Tyrannen oder brutalen Diktators wie im letzten Jahr von Marius' Regime oder während Sullas Proscriptionen vielleicht der Fall gewesen wäre. Sie machten vielmehr einen verwirrten Eindruck, und das letzte, was ein Römer zugibt, ist, daß er nicht weiß, was los ist.
Als nächstes stattete ich der ägyptischen Gesandtschaft einen Besuch ab. Lisas, der Botschafter, war schon seit Urzeiten in Rom und sammelte sämtlichen Klatsch dieser Welt, da er fast seine gesamte Zeit damit verbrachte, die römische Regierung und alle anderen Botschafter zu empfangen und zu bestechen.
Der fette alte Lüstling zeigte sich gastfreundlich wie eh und je.
Bestürzt bemerkte ich, daß sein Gesicht unter der dicken Schicht Schminke mit winzigen Wucherungen übersät war. Vielleicht brauchten wir bald einen neuen ägyptischen Botschafter, was mich traurig stimmen würde, denn der Mann war eine Informationsquelle von unschätzbarem Wert.
»Willkommen, Senator, willkommen«, empfing mich der alte Herr überschwenglich. Er klatschte in die Hände, und Sklaven eilten herbei, mir die Hände und Füße zu waschen, obwohl ich doch eben erst gebadet hatte. Einer von ihnen nahm meine Toga, ein anderer drückte mir einen Becher in die Hand, während wieder andere uns aus Leibeskräften frische Luft zufächerten.
Nicht, daß es heiß gewesen wäre, Fliegen gab es auch keine, aber die Sklaven sollten wohl in Übung bleiben. Wir betraten einen kleinen, runden Speisesaal, eine der vielen exzentrischen Besonderheiten der ägyptischen Botschaft, die, soweit ich das erkennen konnte, keinen bestimmten Architekturstil bevorzugte.
»Seine Majestät hat mir berichtet, daß du ihm im letzten Jahr einige Gefallen erwiesen hast, wofür er überaus dankbar ist.«
Während er noch sprach, standen wie durch Zauberei bereits Köstlichkeiten auf dem Tisch. Es erstaunte mich immer wieder, daß, egal wann man Lisas besuchte, stets Essenszeit war. Die Römer halten es peinlich genau mit ihren Essenszeiten, nicht so Lisas. Selbst für unangemeldete Höflichkeitsbesuche hielt er nicht nur wie üblich
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