Toedlicher Hinterhalt
weiß, dass ich es nicht richtig in Worte fassen kann, aber ich habe diesen Mann studiert. Damals, 1996, war mein Hauptaugenmerk auf ihn gerichtet. Ich habe mir jedes Foto in der Akte des Einsatzkommandos eingeprägt und im wahrsten Sinne des Wortes Wochen damit zugebracht, auf Bilder von ihm zu starren, mir Videomaterial anzusehen und zu lernen, wie er zu denken. Vielleicht bin ich verrückt, aber –«
»Genau das ist ja das Problem, Lieutenant«, unterbrach ihn Crowley. »Möglicherweise sind Sie verrückt. Ich habe eine Akte über die psychischen Tests, die kürzlich bei Ihnen gemacht wurden, auf dem Schreibtisch liegen. Darin sind einige der Folgeerscheinungen aufgezählt, die sie durch den Schlag auf den Kopf erlitten haben könnten. Ich muss Sie sicher nicht daran erinnern, dass Verfolgungswahn ziemlich weit oben auf dieser Liste steht.«
Tom fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht. »Nein, das müssen Sie nicht, Sir. Aber ich bin diesem Mann begegnet und musste einfach Bericht darüber erstatten, was ich gesehen habe.«
»Was Sie glauben, gesehen zu haben«, berichtigte ihn Crowley.
Tom war zwar anderer Meinung, aber er würde sich nicht mit einem Admiral anlegen. »Ich hatte einfach gehofft, Sie würden die Sache einmal unauffällig überprüfen – nachsehen, ob der Kaufmann in irgendeinem Bericht von NAVINTEL erwähnt wird, oder von irgendeiner Behörde, verdammt. Ich weiß, dass Sie da Ihre Verbindungen haben, Sir. Ich möchte einfach nur herausfinden, ob sonst noch irgendjemand da draußen den Typen vor Kurzem gesehen hat – und zwar jemand, dem die Ärzte in den letzten Monaten keine Löcher in den Schädel gebohrt haben«, fügte er trocken hinzu.
»Ich werde meine Fühler mal ausstrecken«, versprach Crowley ihm. »Und Sie sollten es in nächster Zeit verdammt noch einmal für sich behalten, falls Sie meinen, noch irgendwelche anderen Terroristen gesehen zu haben. Wenn Larry Tucker von der Sache erfährt, halten Sie Ihre Entlassungspapiere dermaßen schnell in den Händen, dass Sie gar nicht wissen, wie Ihnen geschieht.«
»Ich weiß, Sir«, erwiderte Tom. »Ich danke Ihnen.«
»Erholen Sie sich ein bisschen, Lieutenant«, riet Crowley ihm noch, dann legte er auf.
Tom hängte den Hörer ein und stand energisch vom Stuhl auf, musste jedoch innehalten und sich am Tisch abstützen, bis ihm nicht mehr schwindlig war. Über seinen kleinen Schwächeanfall fluchend machte er sich hiernach auf die Suche nach Joe, um ihm zu mitzuteilen, dass er fürs Wochenende nach Hause gekommen war – und dass seine Küche einen neuen Anstrich nötig hatte.
2
»Kelly …«
Kelly erstarrte und zog den Kopf aus dem Kühlschrank zurück, um zu lauschen.
»Kelly …«
Da war es wieder, kaum hörbar. Die Stimme ihres Vaters klang zerbrechlich und schwach. Jedenfalls zerbrechlicher und schwächer als sonst.
Sie packte das Melonenviertel, das sie in den Händen hielt, in den Kühlschrank, rannte aus der Küche und eilte den langen Flur entlang, der zum Schlafzimmer ihres Vaters führte.
Im Raum war es dunkel, da die zugezogenen Vorhänge das helle Sonnenlicht des frühen Nachmittags nicht durchließen. Während sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnten, tastete sich Kelly zum Bett vor, doch Charles lag nicht darin.
Also ging sie hinüber zum Badezimmer und …
Großer Gott!
Ihr Vater lag mit dem Gesicht nach unten auf dem gefliesten Boden.
Kelly kniete sich neben ihn, um seinen Puls zu fühlen. Seine Haut fühlte sich feucht und kalt an, und bei ihrer Berührung begannen seine Lider zu flattern, als würde er versuchen, die Augen zu öffnen.
»Wurd aber auch Zeit, dass du hier reinkommst«, keuchte er. »Sonst siehst du morgens doch als Erstes nach mir. Aber heut hattest du wohl beschlossen, im Küchenschrank die Dosen mit Spinat neu zu sortieren.«
»Ich habe ein paar Lebensmittel weggepackt«, erklärte sie ihm ruhig, doch das Herz schlug ihr bis zum Hals. Stirb jetzt nicht! Wag es ja nicht, schon zu sterben! Sie schlug absichtlich einen sachlichen Tonfall an, denn sie wusste, dass ihre Aufregung ihn nur ärgern würde. »Was ist passiert?«
»Eigentlich«, begann er, »übe ich nur für mein Vorsprechen für diesen Werbespot. Du weißt schon – Ich bin gestürzt und kann nicht aufstehen .«
Kelly konnte sich nicht länger zusammenreißen. »Um Gottes willen, Daddy, würdest du bitte mal für dreißig Sekunden aufhören, dich wie ein Idiot zu benehmen, und mir sagen, was passiert ist? Bist du
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