Toedliches Fieber
die Mahlzeit noch einen Augenblick hinausschieben können …«
»Kein Problem, ich bin nicht am Verhungern. Andererseits will ich Sie nicht aufhalten.«
»Das tun Sie nicht. Ich muss sowieso noch einige Folien für den Nachmittagsunterricht vorbereiten – Sie finden mich dann direkt gegenüber in meinem Büro.«
»Das ist sehr nett von Ihnen, Herr Professor!« Ich war begeistert.
Professor Ambrose konnte so gut und interessant erklären, dass eine Frage zur nächsten führte. Schließlich kramte er sogar in seiner Aktentasche und holte eine kleine Schachtel heraus, die er vorsichtig öffnete. Sie enthielt mehrere versiegelte Ampullen, Pipetten und Objektträger. Doch plötzlich schien er zu zögern und sah mich eindringlich an, als wollte er mein Interesse abschätzen, ehe er fortfuhr.
»Ich bin nicht dazu gekommen, sie dem Kurs zu zeigen, aber angesichts Ihrer Begeisterung und Ihrer Begabung denke ich, dass es Sie interessieren könnte …«
Ich war im siebten Himmel.
Nachdem er den Objektträger eingeschoben hatte, zeigte er auf das Bild, das auf dem Computerbildschirm erschienen war. »Was sehen Sie?«
Ich konzentrierte mich.
»Nichts Besonderes … normale T-Zellen?«
»Richtig. Und jetzt sehen Sie genau hin.«
Er nahm ein Fläschchen, zog etwas daraus in eine Spritze und gab die Flüssigkeit auf den Objektträger.
Ich beobachtete, wie winzige stachelige, fadenähnliche Strukturen zu den T-Zellen stießen. Sie sahen anders aus als die Formen, die wir zuvor behandelt hatten.
»Was ist das?«, fragte ich.
»Gut aufpassen …«
Ich blinzelte und auf einmal war der Bildschirm leer. »Hmmm … es scheint sich um einen Übertragungsfehler zu handeln.«
»Nein – alles funktioniert reibungslos.«
»Aber …«
»Sehen Sie es sich noch mal an … diesmal in reduzierter Geschwindigkeit.«
Er hatte den Versuch auf der Festplatte gespeichert und spielte ihn jetzt noch mal ab – dreihundert Prozent verlangsamt.
Wieder sah ich, wie die stacheligen Fäden auf die hüpfenden T-Zellen zukamen. Sie hefteten sich unverzüglich an die T-Zellen und schlängelten sich durch die Zellmembran in den zentralen Zellraum. Jetzt zappelten die Fäden im Inneren der Zelle. Auf einmal teilten sie sich und aus zwei Fäden wurden vier und so fort, bis in sämtlichen T-Zellen massenhaft Fäden pulsierten. Im Zuge der weiteren Vervielfältigung der Fäden dehnten sich die T-Zellen aus. Sie wuchsen immer weiter, bis plötzlich alle gleichzeitig explodierten. Ich starrte auf den Bildschirm. Es gab nichts mehr zu sehen.
»Was war das denn?«, flüsterte ich. So etwas hatte ich noch nie gesehen.
»Was glauben Sie denn, was gerade passiert ist?«, fragte der Professor.
»Also, das kann zwar gar nicht sein, aber es sah aus, als wären die Zellen … einfach verschwunden.«
»Was Sie gerade beobachtet haben …«
»Professor Ambrose.« Dr. Franklin kam aus ihrem Büro. »Ich glaube, Eva hat Ihre Geduld jetzt genug strapaziert! Kommen Sie, sonst gibt es nichts mehr zu essen. Die Brownies sind wahrscheinlich ohnehin schon alle weg.«
Für einen kurzen Augenblick wirkte der Professor leicht genervt, doch dann lächelte er leutselig.
»Ach, Sie sind wirklich zu gastfreundlich.« Dann wandte er sich noch mal an mich. »Sollen wir das Gespräch vielleicht nach der Mittagspause fortsetzen, Eva?«
Ich nickte und überlegte bereits, wie ich mich vor der Mathestunde drücken könnte.
Dr. Franklin runzelte die Stirn. »Haben Sie um zwei Uhr eine Freistunde, Eva?«
»Äh, eigentlich nicht, aber …«
»Vielleicht lässt sich Professor Ambrose dazu überreden, noch einmal wiederzukommen?«, meinte Dr. Franklin.
»Mit dem größten Vergnügen«, antwortete der Professor lächelnd, während Dr. Franklin ihn bestimmt zur Tür dirigierte.
Doch dann drehte er sich ruckartig um. »Ich kann meine Sachen doch bis nach dem Mittagessen hierlassen, oder?«, fragte er und zeigte auf die Fläschchen und Objektträger.
»Selbstverständlich, Herr Professor! Eva, ziehen Sie die Tür fest hinter sich zu, wenn Sie gehen.«
»Ja, Dr. Franklin.«
»Aber Sie sollten sich jetzt wirklich beeilen. Sie haben nur noch zwanzig Minuten Zeit zu essen, dann fängt Ihre nächste Stunde an.«
Dr. Franklin führte den Professor aus dem Biologielabor zum Speisesaal und ließ mich allein zurück.
Ich warf einen Blick auf meine Schulbücher und dann auf das Mikroskop.
Selbstverständlich hätte ich in diesem Augenblick meine Sachen packen und zum
Weitere Kostenlose Bücher