Toedliches Fieber
die Hand, die er pflichtschuldig an die Lippen führte. »Es wäre mir eine Ehre.«
Als sie sich entfernten, sah Sethos ihnen nach, wünschte, das Mädchen möge sich noch einmal umdrehen. Er hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben, als sie sich plötzlich umwandte und ihm heimlich einen Blick zuwarf. Er salutierte übertrieben und sie lächelte. Ihm wurde unvermutet heiß.
Als sie durch den Torbogen gingen und in der Menge verschwanden, staunte Sethos mal wieder über die Freiheiten, die römische Frauen genossen. In seiner Heimat Korinth dürfte sich ein Mädchen niemals wie eine freie Bürgerin bewegen, ganz zu schweigen von der offenen Auflehnung gegen die Heiratspläne der Familie … Er erschauerte, als er sich die Konsequenzen vorstellte, und hätte das hinreißende Mädchen am liebsten beschützt.
»Seth? Was fällt dir ein?«, zischte Matthias ihm ins Ohr.
Sethos zuckte zusammen, als ihm wieder bewusst wurde, wo er war.
»Sie ist eine unverheiratete römische Bürgerin!«
Matthias war so verdammt schlau. Seth knirschte mit den Zähnen. Er wusste, was Matthias meinte. Vergiss nicht, wer du bist: ein Sklave. In dieser Stadt hatte er keinerlei Rechte. Das Mädchen, Livia, war für ihn so unerreichbar wie die Sonne am Himmel.
»Halte dich an die Verheirateten!«, murmelte Matthias, als ein weiterer Schwarm aufgeregter Frauen auf sie zuwogte.
Sethos blieb noch eine halbe Stunde in der Arena, um Fragen zu beantworten und den römischen Frauen zu gestatten, mit ihm zu flirten. Der lanista beobachtete ihn. Sethos wusste, dass es zu seinen Pflichten gehörte, die Frauen um den Finger zu wickeln, denn je beliebter er war, umso mehr Zuschauerkamen. Doch als er den lanista später auf einem der Sitzplätze entdeckte, wo er mit einem Mädchen auf dem Knie einem Krug Wein zusprach, nutzte er die Gelegenheit, sich davonzustehlen.
Matthias folgte ihm. Er liebte die Frauen, die Sethos umschwärmten, und seine Nähe zu dem berühmten Gladiator verschaffte ihm viele gesellschaftliche Vorteile. Doch in der Nacht vor dem Kampf ging sein Freund vor. In der Kaserne schenkte Sethos zwei Becher Wasser ein. Den einen reichte er Matthias, den anderen nahm er zu der schmalen Matte mit, auf der er sich ausstreckte. Matthias kauerte sich ans Ende des Bettes, goss ein wenig Öl in seine Hand und fuhr mit der unterbrochenen Massage fort.
Allmählich entspannte sich Sethos. Die Massage tat gut und er ließ seine Gedanken schweifen – zu dem Mädchen mit den Mandelaugen. Seit er seiner Heimat entrissen worden war, war er schon vielen Frauen begegnet. Einige waren schön gewesen, andere exotisch oder mächtig – verheiratet waren sie alle. Sie hatten ihn erwählt und diskrete Treffen arrangiert. Doch er hatte keine von ihnen wirklich näher kennenlernen wollen, keine von ihnen hätte er sich selbst ausgesucht.
Deshalb war sein Interesse an Livia geradezu ein Schock – ein fremdes Gefühl. Und Matt hatte recht – es war ganz sicher nicht gut für ihn. Genau genommen war es außerordentlich gefährlich. Es grenzte an Selbstmord, sich eine Beziehung zu diesem Mädchen auch nur vorzustellen. Das römische Gesetz würde keine Gnade walten lassen. Doch welchen Unterschied machte es andererseits, noch etwas mehr zu riskieren? Schließlich war er Gladiator.
Er öffnete die Augen: Ja, er war Gladiator und musste in wenigen Stunden zu einem großen Kampf antreten. Diese Art der Ablenkung konnte er sich nicht leisten. Er musste sich konzentrieren. Matthias behandelte jetzt das andere Bein. Sethos schloss die Augen wieder und ging noch einmal den Ablauf der Spiele durch. Obwohl die Listen mit den vorgesehenen Paarungen noch nicht ausgehängt worden waren, wusste er bereits, dass er es mit Protix Canitis zu tun bekommen würde, einem massigen Gallier, der Römer und Griechen gleichermaßen hasste. Protix war ein wilder Kämpfer und sein leidenschaftlicher Hass konnte es mit Sethos’ Schnelligkeit und Intuition aufnehmen. Seth konnte nur inständig hoffen, dass Protix an diesem Abend dem Wein heftig zugesprochen hatte. Er konnte jede Hilfe brauchen. Auf einmal wünschte er so sehnlich zu gewinnen, dass es über seinen normalen Selbsterhaltungstrieb deutlich hinausging. Er richtete sich auf.
»Was ist los?«, fragte Matthias.
»Ich muss gewinnen.«
»Du wirst gewinnen. Du gewinnst immer.«
»Ich meine, ich muss unbedingt gewinnen …«
»Das ist gut …«
»Weil ich danach dieses Mädchen wiedersehe: Livia.«
Matthias
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