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Tödliches Orakel

Tödliches Orakel

Titel: Tödliches Orakel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Sabalat
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nicht gerade mochte, aber durchaus akzeptabel fand, war mein Bad in seinem Magen schon vorbei: Das Dunkel um mich herum wurde hell, aus dem Schwarz wurde Weiß, und das Weiß bevölkerte sich mit Menschen und Räumen – Sams Magenmatsch verwandelte sich in Sams Leben. Ich sah Sam schlafen, essen, einkaufen, telefonieren, trinken, rauchen, lesen und viele andere Dinge mehr. Die Sekunden reihten sich aneinander, Minuten wurden zu Stunden, die Stunden zu Tagen, als ich die Zeit schneller laufen ließ. Ich zählte die Tage bis zum 10. August – und war dann nicht erstaunt über das, was ich sah, weil es so klar war. Und so logisch.
     
    ***
     
    Sams Leben entließ mich, und ich katapultierte zurück in die warme Luft des Konsultationsraumes. Das Hinein ins Innere erforderte Überwindung und Willensstärke, das Hinaus lediglich einen kurzen Stoß meiner imaginären Beine gegen die Magenwand: Dieser ließ mich aus dem Sumpf hervorbrechen wie eine Ertrinkende aus einem aufgewühlten Meer und führte mich durch die Speiseröhre, den Mundraum und schließlich vorbei an Sams beachtenswerten Lippen zurück in die reale, so viel saubere und hellere Welt.
    Sam stand noch immer vor mir, das Gesicht nun allerdings zu einem Ausdruck der Überraschung verzogen. Dergleichen erzeugte mein Abgang mit dem unvermeidlichen, milden Knuff in den Magen öfters, doch glücklicherweise realisierten die Kunden den Zusammenhang zwischen mir und diesem ebenso plötzlichen wie kurzen Unwohlsein nie - so wörtlich, wie 'Haruspex' bei mir zu nehmen war, verstand das niemand.
    Ich machte wortlos auf der Stelle kehrt, ging zurück in mein Zimmer. Dort nippte ich nur kurz an dem stets bereitstehenden Glas eiskaltem Wasser, aber ich tat es eher aus Routine denn aus Notwendigkeit: Mir war nicht schlecht, noch nicht einmal etwas mulmig. Trotz dieser mörderischen Hitze. Das lag an Sam, an Sams sauberem Inneren, und deswegen tat es mir fast ein wenig Leid, als ich Mikrofon wie Kamera einschalten und ihm sagen musste, was ich ihm zu sagen hatte.
    »Sam, Sie werden am 10. August sterben. Man wird Sie erschießen. Sie bekommen eine Kugel in die Brust und eine in den Kopf.«

Tag 2 – Dienstag, 1. August
     
    »Sie müssen herkommen. So geht das nicht«, sagte Frau Berger, kaum dass ich den Telefonhörer abgenommen hatte.
    »Was ist los?«, erkundigte ich mich – leicht gereizt, denn ich war gerade ein paar Bahnen in meinem nagelneuen Pool geschwommen und hatte diesen Genuss für das laut und lauter werdende Schrillen des Telefons unterbrechen müssen. Jetzt stand ich am Rand des Pools und bereute tropfnass, dass ich das Telefon überhaupt mit hinausgenommen hatte.
    »Der junge Mann«, erwiderte Frau Berger in einem Tonfall, der meine Frage als überflüssig abstrafte.
    »Welcher junge Mann?«
    »Der gestern bei Ihnen war. Der blasse, dünne. Er war sehr früh heute Morgen schon einmal hier, und ich habe ihm gesagt, dass Sie nicht zu sprechen sind. Dass er einen Termin ausmachen muss. Er ist gegangen, aber jetzt ist er wieder da.«
    »Und was tut er?«
    »Er hat erneut geläutet, ich habe ihm das Gleiche mitgeteilt wie heute Morgen. Und jetzt sitzt er vor der Tür auf der Treppe. Er wartet, hat er gesagt, irgendwann würden Sie schon ein paar Minuten für ihn haben. Heute oder morgen. Oder übermorgen.« Frau Berger holte tief Luft. »Und er raucht«, fügte sie mit deutlichem Widerwillen hinzu, was mich lächeln ließ. Rauchen war eine Todsünde für Frau Berger, weswegen ich meine Zigaretten immer sorgfältig versteckte, wenn sie in der Nähe war.
    »Lassen Sie ihn rauchen«, sagte ich mit dem Wissen des allsehenden Orakels, »das bringt ihn nicht um.«
    »Aber das ist nicht richtig. Stellen Sie sich vor, das machten alle Ihre Besucher so.«
    »Es herrscht Rauchverbot im Konsultationszimmer.«
    »Mit Fug und Recht. Aber ich spreche von dieser anderen Anmaßung. Er hat heute keinen Termin.«
    »Deswegen wartet er ja auf der Treppe.«
    »Aber wie sieht das denn aus«, empörte sich Frau Berger, ich lachte.
    »Das sieht aus, als würde ein gut aussehender, junger Mann mit Engelsgeduld auf Sie warten. Also lassen Sie ihn warten. Mal sehen, wie lange er durchhält«, erwiderte ich, und als Frau Berger ohne ein weiteres Wort auflegte, wusste ich, dass ich ihre faltigen Wangen gerade in verlegenes Rot getaucht hatte.
    Ich warf einen Blick auf die Uhr und sprang wieder in den Pool: Ich gab Sam drei Stunden – wenn er dann immer noch auf der Treppe hockte,

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