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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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innige Liebe zu Ihrer Tochter haben sollte. Wenn ich mich aber nicht irre, so wird ihn, glaube ich, das Gemälde, das ich ihm unter die Augen stellen will, nicht wenig rühren. Suchen Sie sich selbst und Ihre Tochter Nanette so gut als möglich zu trösten, Madame. Ich will ohne Aufschub hingehen und Herrn Nachtigall aufsuchen und hoffe, Ihnen gute Nachricht zu bringen.«
    Madame Miller fiel auf ihre Kniee und bat den Himmel, seinen besten Segen auf Jones herabzuschütten, wozu sie hernach noch die rührungsvollsten Ausdrücke der Dankbarkeit hinzufügte. Er ging darauf fort zum Herrn Nachtigall und die gute Frau kehrte wieder zu ihrer Tochter, ihr Trost zuzusprechen, welche sich bei dem, was ihre Mutter ihr hinterbrachte, ein wenig aufheiterte, und beide vereinigten sich im Loben und Preisen des Herrn Jones.

Siebentes Kapitel.
    Unterredung zwischen den Herren Jones und Nachtigall.
     
    Das Gute oder Böse, das wir andern erweisen, fällt sehr oft, glaube ich, wieder auf uns selbst zurück. Denn sowie Menschen von liebreicher Gemütsart bei ihren wohlthätigen Handlungen ebensoviel Freude empfinden als diejenigen, welchen sie erwiesen werden, so möchte es auch wohl schwerlich so durchaus teuflische Naturen geben, die fähig wären, andern Schaden und Beleidigungen zuzufügen, ohne sich selbst ein wenig durch die stechenden Vorwürfe zu peinigen, die ihnen ihr Gewissen über das Verderben macht, worin sie ihre Nebenmenschen gestürzt haben.
    Daß wenigstens Herr Nachtigall nicht unter diese letzten gehörte, erhellt schon daraus, daß ihn Jones in seiner neuen Wohnung ganz melancholisch am Feuer sitzend fand, wo er die unglückliche Lage bejammerte, in welche er die arme Nette versetzt hatte. Er sah nicht so bald seinen Freund hereintreten, als er aufsprang, ihm entgegenkam und nach vielen Danksagungen zu ihm sagte: »Nichts in der Welt konnte mir gelegener kommen als dieser gütige Besuch! Denn in meinem Leben bin ich noch nicht so hypochondrisch gewesen!«
    »Es thut mir leid,« antwortete Jones, »daß ich solche Zeitung bringe, die Sie dem Anscheine nach wohl schwerlich aufrichten dürfte, die vielmehr, wie ich überzeugt bin, Sie noch tiefer als alles übrige niederschlagen muß. Indessen ist es doch notwendig, daß Sie sie erfahren. Ohne weitere Umschweife also, ich komme zu Ihnen, Herr Nachtigall, von einer würdigen Familie, die Sie in großes Unglück [115] und Elend verwickelt haben.« Herr Nachtigall veränderte bei diesen Worten die Farbe, aber Jones, ohne darauf zu achten, fuhr auf die lebhafteste Weise fort, ihm die traurige Geschichte vor die Augen zu stellen, womit der Leser im vorigen Kapitel bekannt gemacht wurde.
    Nachtigall hörte seine Erzählung an, ohne ihn ein einziges Mal zu unterbrechen, ob er gleich bei manchen Stellen heftige Gemütsbewegungen blicken ließ. Als sie aber geendigt war, sagte er nach einem tiefen Seufzer: »Was Sie mir da sagen, mein Freund, rührt mich auf die innigste Weise. Wahrlich, es war der verwünschteste Zufall, daß das Mädchen meinen Brief mußte bekannt werden lassen, sonst hätte ihr guter Name erhalten werden und die ganze Sache ein tiefes Geheimnis bleiben können. Alsdann hätte das Mädchen immer noch an einen braven Mann kommen können, denn es geschehen dergleichen Dinge mehr in dieser Stadt. Und wenn dann ja der Mann ein wenig argwöhnen sollte, wenn's zu spät ist, so verlangt es seine Klugheit, seinen Argwohn sowohl vor seinem Weibe als vor der Welt zu verbergen.«
    »In der That, mein Freund,« antwortete Jones, »das hätte mit Ihrer armen Nanette nicht der Fall sein können, denn Sie haben ihr Herz so völlig gewonnen, daß es der Verlust ihres Geliebten und nicht der Verlust ihres guten Namens ist, worüber sie sich härmt, und welcher ihren eignen und den Untergang ihrer ganzen Familie nach sich ziehen wird.« – »O, was das anbelangt,« rief Nachtigall, »sie besitzt mein Herz so ungeteilt, daß mein Weib, wer es auch werden wird, nur sehr geringen Anteil daran bekommen wird.« – »Und ist es denn möglich,« sagte Jones, »daß Sie den Gedanken fassen können, sie zu verlassen?« – »Aber, was kann ich thun?« antwortete der andre. – »Fragen Sie Nanetten,« erwiderte Jones mit Lebhaftigkeit. »In den Umständen, worin Sie sie versetzt haben, ist es meine aufrichtige Meinung, daß es ihr zukomme, die Genugthuung zu bestimmen, die Sie ihr zu leisten haben. Das Wohl des Mädchens und nicht Ihr eignes ist das einzige, was Sie in

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